
Abschied von Dirigentin Felicitas Gadient
Unter Leitung der langjährigen Dirigentin Felicitas Gadient beschenkte der Kammerchor Wil das Publikum des Konzert-Zyklus Uzwil zu Saisonschluss mit dem berührenden Requiem von Johannes Brahms, ein Werk mit hohen Anforderungen für den Chor, aber auch für das ad hoc zusammengesetzte kleine Orchester. Bereits 2011 hatte der Kammerchor dieses Werk unter der Dirigentin Gadient aufgeführt. Diese fand es deshalb sehr stimmig, an ihrem Abschiedskonzert nach zwanzig Jahren Zusammenarbeit mit dem Kammerchor noch einmal dieses Werk aufzuführen.
Doppelrolle für Konzertzyklus-Präsident Hanspeter Haltner

Erst begrüsste Hanspeter Haltner die Zuhörerschaft und freute sich darüber, dass so viele Interessierte das Konzert hören wollten. Auch diesmal wies er in seiner kurzen Ansprache auf die Bedeutung von Sponsoren hin.
Die Max und Margrit Heer-Stiftung aus Oberuzwil ist eine wichtige Unterstützerin dieser Konzerte. Die Stiftung finanziert immer mindestens ein ganzes Konzert pro Saison. Für dieses Konzert verfasste der Vorstand ein Programmheft, welches die Druckerei Schneider-Scherrer in Bazenheid zu äusserst günstigen Konditionen druckte, auch dies ein Beitrag an das Konzertzyklus-Angebot. Ohne solche – ob aus öffentlichen oder privaten Geldtöpfen kommende – Beträge könnten in der «Provinz» keine derart hochstehenden kulturellen Angebote angeboten und genossen werden. Nur mit den Eintrittspreisen wäre das nie möglich.
Danach reihte sich Haltner in die Reihen der beeindruckenden Chorkulisse ein. Singen gehört zu seinen grossen Hobbys.
Johannes Brahms (1833 – 1897)
Wer kennt nicht das Abendlied «Guten Abend, gut Nacht…»? Noch heute wird es an vielen Wiegen und Kleinkinderbetten gesungen. Nur denkt vermutlich kaum mal jemand an den Künstler, welcher dieses Lied komponiert hat. Johannes Brahms war ein äusserst vielseitiger Musiker. Musikerkollegen bewunderten ihn für sein pianistisches Können. Der Künstler stammte aus einem lutherischen Hamburger Elternhaus. Brahms wird oft auch « Hamburgs schwermütiger Komponist» genannt.
Requiem
Auch andere Komponisten haben Requiems komponiert, meist aus katholischer Tradition heraus, mit einem grossen Gewicht auf Trauer und Leid. Sehr bekannt ist das Requiem von Mozart, welches dieser kurz vor seinem Tode 1791 begann, leider aber nicht mehr fertigstellen konnte. Dank verschiedenen Mozart-Schülern gelang es Mozarts Frau Constanze, das Werk doch noch vollenden zu lassen. Es hat bis heute nichts von seiner Strahlkraft eingebüsst.
Johannes Brahms ging von einem anderen Ansatz aus. Er wollte mit seinem Werk Ein deutsches Requiem Trost für die Leidgeprüften dieser Erde spenden. In der Konzertbroschüre heisst es: «Ein Requiem für den Menschen». Der Tod seines Freundes Robert Schumann 1856 liess in ihm die Idee reifen, ein solches Werk zu komponieren. Allerdings ging ihm das nicht leicht von der Hand, er brauchte mehrere Anläufe, bis das Requiem wirklich durchkomponiert war. Als seine Mutter starb, gab ihm dies neue Energie, er vollendete das Werk. Brahms hatte Texte aus der – deutschen – Lutherbibel herausgesucht und zu einem Ganzen vereinigt. Bis anhin waren solche Requiem-Texte immer lateinisch gewesen. Doch Brahms wollte, dass die Zuhörerschaft auch verstand, was da gesungen wurde, damit «die Menschen getröstet würden.» Brahms hegte grosse Verehrung für Johann Sebastian Bach, diesen Übervater an geistlicher Chor- und Instrumentalmusik. Dass an Brahms Beerdigung sein eigenes Requiem aufgeführt wurde, zeugt von der grossen Wirkung dieses Werks auf alle Menschen, die dies hören durften. Seither gibt es davon unzählige Bearbeitungen. Noch heute berührt es die Menschen.
Ad hoc-Orchester
Ein kleines, feines Orchester unterstützte den stattlichen Chor. Der deutsche Flötist Joachim Linckelmann (*1964) arrangiert seit 2009 für den Musikverlag CARUS Oratorien für kleinere Besetzungen, so auch dieses Werk. Brahms hatte sein Werk für 200 Chorstimmen und ein viel grösseres Orchester komponiert. So viele Musizierende hätten in der auch nicht gerade kleinen Niederuzwiler Kirche allerdings kaum Platz gefunden. In Niederuzwil fügte sich das Orchester mit viel Ernst und Tiefgang in die Aufführung ein. Hier waren Stimmung und Text wichtig. Die mächtige Pauke auf der rechten Seite zog die Blicke auf sich. Das Waldhorn mit seinem tröstlich-warmen Ton sowie die Streich- und Blasinstrumente erzeugten einen Klangteppich, auf welchem der Chor sich sicher fühlen konnte.
Dirigentin Felicitas Gadient
Zwanzig Jahre Dirigententätigkeit deutet auf guten Zusammenhalt zwischen Chor und Dirigentin hin. Das spürte man auch während der Aufführung. Mit kleinen, präzisen Gesten und ihren Augen dirigierte Felicitas Gadient Chor und Orchester. Nach jedem Satz liess sie ihre Sängerinnen und Sänger etwas verschnaufen und ermöglichte damit der Zuhörerschaft ein Nachklingenlassen.
Im Chor singen verschiedene Generationen, wenn auch hier die grauen oder weissen Haare dominieren. Dem Chorklang hörte man die sorgfältige Stimmbildungsarbeit an. «Schönheit ergibt sich durch Präzision» – ein Zitat von Felicitas Gadient in der Broschüre – zeigt ihre Einstellung zur Chorarbeit. Für diese wurde sie 2015 mit dem Anerkennungspreis der Stadt Wil geehrt. Nun übernimmt Milena Mateva den Kammerchor, auch sie eine preisgekrönte Musikerin. Sie kennt den Kammerchor schon jetzt bestens, ist sie doch in den Proben als Korrepetitorin bereits dabei.



Chor
Der Kammerchor Wil darf sich darüber freuen, in allen Stimmlagen genügend Sängerinnen oder Sänger zu haben. In vielen gemischten Chören sind Männer ja schon fast eine Rarität, nicht aber in diesem Chor. Die Aufstellung der Stimmen in zwei Blöcken – vom Publikum aus gesehen- , nämlich Männer rechts und Frauen links, führte zu einem sehr kompakten Chorklang. Auch die einheitlich schwarze Kleidung trug zu einer feierlichen Stimmung bei. Der Chor folgte den Anweisungen der Dirigentin genau, übersetzte ihre Handbewegungen zu Lautstärke oder Tempo in die Stimmführung und liess so ein harmonisches Ganzes entstehen. Dank der Textvorlage in der Broschüre konnte man auch jederzeit dem Text folgen.
Dieses Requiem scheint gerade heute wieder ganz aktuell zu sein, schaut man sich die Weltlage an. So viel Leid an so vielen Orten, da ist man auf Trost angewiesen, braucht Hoffnung, welche dieses Requiem sowohl im Bezug auf den Text wie auf den Klang schenkt. Eine eigentliche Osterbotschaft…


Sopranistin Carmela Konrad
Das Requiem ist für Chor, Orchester sowie Sopran- und Bariton-Solo komponiert worden. Die Sopranistin Carmela Konrad sang in Niederuzwil ihren Part «Ihr habt nun Traurigkeit – aber ich will euch trösten» in Teil V des Werks mit tiefer Innigkeit. Es war ihr einziger Einsatz, aber einer mit grosser Wirkung. Die Schweizer Künstlerin ist eine gefeierte Sopranistin, welche schon viele Preise für ihre Gesangskunst gewonnen hat. Sie berührte mit ihrer klaren, beseelten Stimme, dabei verstand man jedes Wort. Wie auf ihrer Webseite nachzulesen ist, malt sie auch und stellt ihre Bilder aus.
Bariton Matthias Horn
Matthias Horn, im Brahms-Requiem als Bariton im Einsatz, ist auch ein gefragter Bass-Solist. Sein Repertoire ist sehr breit und vielseitig. Zudem engagiert er sich gerne für junge Menschen, indem er mit verschiedenen andern Künstlerinnen und Künstlern Konzerte für Grundschulkinder im Rahmen der «Laterna Musica Frankfurt» gestaltet und diesen so den Zugang zu klassischer Musik eröffnet. Schon mit dem ersten Ton erreichte er die Herzen der Zuhörerschaft. Besinnliche Texte, mit grossem Ernst und warmer Stimme gesungen, bekamen dadurch Tiefe.
Einen würdigeren Abschluss hätte es für die Dirigentin nicht geben können. Der langanhaltende Applaus – eine Standing Ovation von ein paar Minuten – und als Zugabe strahlende Gesichter bei Sängerinnen und Sängern, den Orchestermitgliedern sowie Solistin und Solist – waren Lohn für eine hochstehende Musikdarbietung.
Am Gründonnerstag fand in der Kreuzkirche Wil SG nochmals eine Aufführung dieses Requiems statt.