
Aus der Carnegie-Hall in den Gemeindesaal…
Der Sängerbund an der Thur lud zu einem Konzert unter dem Motto DIE WELT DER OPERETTE ein.
Schon das in alle Haushalte der Region verteilte Programmheft des diesjährigen Konzerts verhiess einen wahren Ohrenschmaus. So viele Ohrwürmer, die da versprochen wurden! Dirigent Richard Rost hat eine reiche musikalische Erfahrung und konnte auch bei diesem Programm aus dem Vollen schöpfen. Der Mann hat viele Jahre als begehrter Tenor an de Oper Zürich und anderen Musikhäusern gesungen, ein Konzert- sowie ein Operndiplom erworben, sich aber auch zum Chorleiter ausbilden lassen. An der Uni Zürich hat er ausserdem Operndramaturgie studiert.
Und dieser Mann leitet nun seit anfangs 2023 den Sängerbund. Vor zwei Jahren hatte der Chor schon unter dessen Leitung gehörfällige Melodien aus bekannten Opern ausgeführt. Die Männer waren darum sofort bereit, sich auf ein neues Abenteuer einzulassen. Dafür wurden erneut Projektsänger gesucht. Laut Programmheft sind erfreulicherweise sechs Männer diesem Aufruf gefolgt. Das gab dem Dirigenten die Möglichkeit, den Chor ganz nach Belieben zu mehr oder auch weniger Lautstärke zu bringen oder das Tempo je nach Gefühlslage eines Lieder zu erhöhen oder zu verlangsamen. Der Mann hatte seine Sänger jederzeit im Griff.
Grossaufmarsch im Gemeindesaal Uzwil
Die Sänger hatten am Freitagvormittag vor dem grossen Auftritt bereits 450 Sitzplätze bereitgestellt. Sicher war man sich nicht, ob alle Plätze denn auch eingenommen würden. Doch es zeigte sich: Die weitreichende Werbung lockte sehr viele Menschen in den Gemeindesaal. Es blieb kaum ein Stuhl frei.


Die Möglichkeit, vor dem musikalischen Leckerbissen auch etwas unter die Zähne zu bekommen, nutzten sehr viele Freunde und Freundinnen gepflegter Musik. So war es kein Wunder, dass irgendwann der heisse Schinken ausging und Nachschub besorgt werden musste.
Mitglieder aus dem Jodelclub Uzwil waren im Service tätig. Ja, man hilft sich in Vereinskreisen ganz selbstverständlich gegenseitig aus. Es sassen denn auch etliche Delegationen aus Vereinen der Umgebung im Saal, gerade auch aus Männerchorkreisen.


Jung sammer, fesch sammer!
Mit diesem Ohrwurm aus der zweiaktigen Oper «In achtzig Tagen um die Welt» von Jonathan Dove – nach der berühmten Geschichte von Jules Verne – stiegen die Chorsänger die Treppe hinauf zur Bühne. Jeder Mann kannte seinen Platz. Elegant gekleidet – oben Weiss, unten Schwarz – machten sie schon vor dem ersten Ton auf der Bühne einen guten Eindruck. Doch «jung»? Oder gar «fesch»? Natürlich, jung im Geiste und fesch als Chor! Und damit begann ein wahres Feuerwerk an Liedern aus verschiedenen Operetten, man konnte kaum genug bekommen.


My Fair Lady ist die Geschichte einer Blumenverkäuferin aus der Unterschicht Londons. Der Film mit Audrey Hepburn als Eliza in der Hauptrolle wurde weltberühmt. Sopranistin Zurflüh verzückte mit «Ich hätt’ getanzt heut’ Nacht» und Bariton Feldmann schmachtete im gefühlvollen Lied «In der Strasse wohnst du». Und der Chor stürzte sich samt Bariton ins schwungvolle Lied «Hei, heut Morgen mach ich Hochzeit», eine ziemlich beschwipste Geschichte…
Aus der Operette Maske in Blau durfte das Publikum gleich acht Stücke geniessen, schön abwechselnd Chor allein, Chor mit Solistin, Chor mit Bariton. Auch die lustige Witwe war zu Besuch auf der Bühne des Gemeindesaals. Hier glänzte der Chor besonders beim «Weibermarsch», von Bariton Feldmann mit spannender Mimik und sängerischem Glanz dargeboten. Man spürte eine wahre Lust, es diesen «Frauenzimmern» mal endlich zu zeigen. Und schliesslich liess die Geschichte um einen Rachefeldzug unter dem Namen «Die Fledermaus» von Johann Strauss Sohn nochmals Chor und Solisten zur Höchstform auflaufen. Der grosse Émil Zola sagte von Strauss: „Wir Schriftsteller zeigen der Welt, wie elend sie ist – Strauss zeigt uns, wie schön sie sein kann.“
Herrliche Solistenstimmen
Dank den Beziehungen des Dirigenten zum Opernhaus Zürich konnten zwei junge, aufstrebende Sänger-Persönlichkeiten zu guten Konditionen engagiert werden. Chelsea Marilyn Zurflüh ist eine bereits vielfach ausgezeichnete Sängerin. Die Aufzählung aller Preise durch Dirigent Rost wollte fast nicht mehr aufhören. Sie bestach mit einem glockenhellen Sopran, aber auch mit ansteckendem Temperament und elegantem Körpereinsatz, dazu mit einer grossen Präsenz und Ausdruckskraft – dies zur offensichtlichen Freude der nicht mehr ganz jungen Herren des Sängerbunds. Auch ihr Augenaufschlag war beinahe Oscar-würdig.




Bariton Gregory Feldmann, ein waschechter Amerikaner – mit charmantem Akzent in seinem Deutsch – hat bereits in der Carnegie Hall in New York gesungen, und dies vor vollem Haus! Seine lebhafte Mimik sowie eine Art «Nonchalance» und natürlich sein sonorer Bariton – im Programmheft als «herzhaft und luxuriös» beschrieben – begeisterten ebenfalls. In den Duetten verschmolzen die beiden Stimmen zu einem Klangteppich, oft durch den Chor verstärkt, und verzauberten damit das Publikum. Der Applaus war denn auch jeweils ohrenbetäubend.




Pianistische Unterstützung

Am Flügel, ganz verschämt auf der Seite, aber dennoch gut sichtbar, sass Oxana Peter-Fedjura, virtuose Pianistin und bekannte Chorleiterin. Die Künstlerin unterstützte den Chor mit ihrem stilsicheren, kraftvollen Spiel und liess vergessen, dass da kein Orchester auf der Bühne stand.
Präsident Naef meinte denn auch zum Schluss: «Als wir die erste gemeinsame Probe hatten, verpasste der ganze Chor seinen Einsatz, denn wir hatten vorher noch nie jemanden gehört, der so toll Piano spielen kann.» Sie war denn auch während des ganzen Abends ein sicherer Wert für Chor und Solisten.
Moderation
Dirigent Richard Rost dirigierte den Chor nicht nur mit klaren Einsätzen und unterstützenden Gesten. Er stellte auch kurz den Inhalt der einzelnen Operetten vor. Da geht es ja meistens um Liebeshändel, um Intrigen, natürlich auch um Standesdünkel, um Geld und Verwirrungen. Man schimpft über die «Weiber», denn die Sprache ist nicht immer zimperlich, trinkt gerne eins über den Durst und findet sich dennoch grossartig. Glücklicherweise enden diese «Singspiele» praktisch immer mit einem Happy-End, so wie sich das gehört. Rost befragte zudem in je einem Kurzinterview Zurflüh und Feldmann zu ihrem Werdegang. Den beiden wird eine grosse Karriere vorausgesagt. Wer sie gehört hat, glaubt das sofort.
Am Schluss des Konzerts durften sich alle Beteiligten über einen tosenden Applaus freuen. Der Operettenzauber hatte gewirkt.

Unterschied zwischen Oper und Operette
In einer Oper wird nur gesungen. Stimmlich verlangt diese Musikform Sängerinnen und Sängern sehr viel ab, ist doch der Tonumfang sehr weit. Zudem muss dazu auch schauspielerisch etwas geboten werden. In einer Operette kommt eher Lebenslust, tänzerische Leichtigkeit und frivole Lebensauffassung zum Zug. Dazu gehören auch Sprechpassagen. Die Musik ist leichtverdaulich und dennoch kunstvoll komponiert. Man nennt sie auch die «kleine Schwester der Oper».
Stabübergabe im Lauf des Abends
Der langjährige, auf dieses Jahr zurückgetretene Chorpräsident Albert Luder begrüsste das Publikum. Ihn freute der riesige Aufmarsch, was man aus jedem seiner Worte hören konnte. Am Schluss des Konzertabends bedankte sich der neue Präsident Kaspar «Chäspi» Naef bei allen, die an diesem grossen Projekt mitbeteiligt gewesen waren. Er unterliess es auch nicht, um neue Sängerkollegen zu werben. Nach diesem Auftritt überlegt es sich vielleicht der Eine oder Andere…


Beim Hinausgehen hörte man überall: «Grossartig, was da der Sängerbund wieder auf die Beine gestellt hat!» Man darf gespannt sein, was der Chor als neue Herausforderung in Angriff nimmt!
Der Sängerbund probt jeweils am Dienstagabend um 19:00 Uhr – 20:30 im Singsaal der Sekundarschule an der Schöntalstrasse 1 in Niederuzwil. In den Schulferien wird nicht geprobt. Interessierte sind herzlich willkommen.