Benefiz-Konzert für die Ukraine

Benefiz-Konzert für die Ukraine

13. Oktober 2022 Aus Von Annelies Seelhofer-Brunner

Im evangelischen Kirchgemeindesaal Wil trat an einem Oktobersonntag abends der noch nicht lange bestehende Chor Pianoxa auf, mit der Absicht, der Zuhörerschaft ein gepflegtes, abwechslungsreiches Konzert zu bieten und gleichzeitig mit einer Kollekte zum bewundernswerten Einsatz von „Ärzte ohne Grenzen“ in der Ukraine beizutragen.

Das Konzert begann mit vier wohltuenden, tröstlichen Liedern. Der Spiritual„ Steal away to Jesus“, vermutlich von einem Sklaven erfunden, ist ein tiefreligiöses Lied, vom Pianoxa-Chor mit Innigkeit vorgetragen. Fisk Jubilee Singers – Steal Away to Jesus Auch „When the Stars Begin to Fall“, ein bekanntes Lied, hier gesungen von Judith Durham, und das noch viel bekanntere „Amazing Grace“ waren im ersten Block zu hören. The Seekers – When the Stars begin to Fall ( 1966/’68)

„Amazing Grace“ ist bestimmt weitherum bekannt, da hätte man vermutlich sogar mitsingen können. Dann wären aber die schön ineinanderfliessenden Stimmen nicht mehr so rein zu hören gewesen. In diesem Lied kamen besonders die Männerstimmen, unterstützt von Tenor Bernhard Jakober, sehr schön zum Tragen. Geschaffen hat das heute weltbekannte Kirchenlied der ehemalige Sklavenschiff-Kapitän John Newton, der nach einer dramatischen Rettung aus höchster Seenot tief religiös wurde und sich danach der Abschaffung der Sklaverei verschrieb. Amazing Grace – Peter Hollens feat. Dazwischen eingebettet war das Mozart-Lied „Abendruhe“. Der Chor sang sehr fein nuanciert, schön ausgeglichen im Stimmenverhältnis, bei so einem kleinen Chor gar keine Selbstverständlichkeit.

Musikerin Oxana Peter-Fedjura, selber aus der Ukraine stammend, aber schon lange in der Schweiz lebend, führte den Chor vom Flügel aus, sprach die Worte mit, war mit ganzem Herzen dabei, was man gut spüren konnte. Sehr subtil und einfühlsam spielte sie die Begleitung zu den durchwegs sehr anspruchsvollen Harmonien.

Solo-Stücke

Die als Konzertpianistin ausgebildete Musikerin, die auch den Kirchenchor Niederuzwil-Oberuzwil leitet und als Stimmbildnerin und Gesangslehrerin arbeitet, erfreute das Publikum mit zwei ausgefeilten Klavierstücken von Franz Schubert, schön verteilt im Programmablauf zwischen zwei Liederblöcken. Die erste Komposition „Klavierstück Nr. 1, D 946 allegro assai, es-Moll“ trug sie konzertant und engagiert vor. Ihr Mann Franklin stellte jeweils dazu den Deckel des Flügels hoch. Das Instrument klang zwar etwas hart, fast metallisch, aber das einfühlsame Spiel der Musikerin liess das schnell vergessen.

Lieder aus der „Winterreise“ von Franz Schubert (1797 – 1928)

Der zeitgenössische Komponist Gregor Meyer, *1979, hat zu Schuberts grossem Werk eine Chorfassung geschaffen. Daraus sang der Chor fünf Stücke. In diesen Liedern wird Schuberts Heimatlosigkeit und Verlorenheit in musikalischen Klanggemälden zu Gehör gebracht. Moderatorin Marianne Pessina führte dazu aus:

„Ich denke, diese Heimatlosigkeit, dieses Verlorensein und diese Trauer ist auch die Situation von ganz vielen Flüchtlingen. Man kommt als Fremdling und bleibt sehr oft auch fremd, getrieben und verzweifelt wegen der Sorgen um die Liebsten, die man zurücklassen musste.“

In diesem Liederzyklus kam auch die warme Tenorstimme von Bernhard Jakober zum Einsatz, jeweils in kleinen Sequenzen nur, aber gut wahrnehmbar. Auch Annelise Naef aus dem Chor war da und dort mit ihrem hellen Sopran solistisch zu hören. Und mehr als einmal summte der Chor als „Backgroundgesang“ zur Unterstützung der solistischen Einsätze ein paar Takte, ganz natürlich eingebettet in das Klanggefüge.

von links: Annelise Naef-Dietiker mit einigen Solostellen, Tenor Bernhard Jakober und die ukrainische Sopranistin Olena Tutko.

Mit dem zweiten Klavier-Solo-Stück Nr. 2 D 946 schloss sich der Kreis um den Liederzyklus. Vorwärtsdrängende Sequenzen lösten sich hier ab mit vielen Variationen von immer wiederkehrenden Themen, welche lautmalerisch Licht, Wärme und auch Hoffnung ausdrücken sollten. Das Stück kann hier in einer schönen Darbietung des französischen Pianisten mit Cyprien Katsaris, der auch griechisch-zypriotische Wurzeln hat, nachgehört werden. Cyprien Katsaris – Schubert: Klavierstück No. 2 in E flat major, D. 946 – YouTube

Lieder verbinden die Seele mit der Heimat

Die ukrainische Sopranistin Olena Tutko sang im letzten Teil dieses besonderen Konzerts auf äusserst berührende Weise zwei Lieder aus ihrer Heimat. Beim Lesen des Textes in kyrillischer Schrift konnte man sich ungefähr vorstellen, was in Menschen vorgehen kann, die aus ihrer angestammten Heimat flüchten mussten, nun in einer völlig andere Kultur mit fremder Sprache leben müssen, in welcher zudem alles in fremden Buchstaben angeschrieben ist. Da nützt anfänglich alle Bildung nichts, man ist anfänglich einfach nur fremd und oft wirklich verloren.

Das erste Lied hiess „Oh, der rote Schneeball beugte sich auf die Wiese“, ein patriotisches Lied voller Zukunftshoffnung, dass die Ukraine – hey, hey! – in neuem Glanze auferstehen werde. „Червона калина“ „Roter Schneeball“

Der Gesang von Olena Tutko war innig und warm und berührte bis ins Innerste.

Unter dem nachfolgenden Link kann hier auch der Text nachgelesen werden. Ein ukrainisches Volkslied

Dazu eine Erklärung aus einem Blog von Philipp Belschner vom 19. April 2022 -siehe auch Bild am Anfang des Liedtextes…

Die Pflanze, die in dem Lied besungen wird ist längst ein ukrainisches Nationalsymbol. Die rote Kalyna ist die vielleicht wichtigste Pflanze der ukrainischen Volkskultur und ist hierzulande eher als roter Holunder bekannt. Die bitteren, roten Beeren sind im Herbst erntereif und werden in der ukrainischen Küche zu Marmeladen und Gelees verarbeitet. Als Symbol findet die Pflanze häufig Verwendung auf Stickereien und Malereien. Das Volkslied über die Pflanze stammt ursprünglich aus dem ersten Weltkrieg.

Oxana Peter rief ihre im Saal sitzenden ukrainischen Landsleute auf, bei diesen Liedern doch mitzusingen. Und so hörte man leise und verhalten einzelne sehnsüchtige Stimmen aus dem Publikum, die mit dem berührenden Gesang von Olena Tutko mitschwangen. Das Schlusslied „Was für eine mondhelle, sternenklare, klare Nacht!“ sei zu einer eigentlichen Nationalhymne des ukrainischen Volkes und dessen Kampf für seine Freiheit geworden. Spätestens bei diesem Lied kam Gänsehaut auf, dachte man doch an die vielen Menschen auf der Flucht, nicht nur an die aus der Ukraine. Vielerorts tobt ja leider im Augenblick Krieg und Zerstörung als scheinbares Motto von Mächtigen, die andere Völker und deren Eigenständigkeit unterdrücken wollen. Eine Mondscheinnacht – Allen tapferen ukrainischen Menschen gewidmet

  • Während der Solovorträge am Flügel und der ukrainischen Lieder durften sich die Chormitglieder setzen.
  • Am Schluss stellte sich Oxana Peter zu ihrem Chor hin, sichtlich zufrieden und glücklich über das Gebotene.

Chor, Solistin Olena Tutko und Solist Bernhard Jakober sowie Oxana Peter, Initiantin und Leiterin des Konzerts, bekamen für das Dargebotene einen warmen Applaus, vermutlich etwas gedämpft durch die Betroffenheit der Zuschauerschaft über den tragischen Hintergrund der Veranstaltung. Viele hatten zudem nach den einzelnen Liedern immer wieder herzlichen Applaus gespendet.

Nachdenklich gestimmt machten sich die vom Konzert sichtlich berührten Konzertgäste darauf auf den Heimweg. Die beim Ausgang erhobene Kollekte ergab den sehr schönen Betrag von rund 2‘000.00 Franken, die nun dem Hilfswerk „Ärzte ohne Grenzen“ für ihren gefährlichen Einsatz in der Ukraine zugute kommen.