Bis die Kirchenbänke bebten

11. September 2019 Aus Von Annelies Seelhofer-Brunner

Herbstkonzert des Gospelchors Oberbüren

Der Gospelchor Oberbüren hat viele Fans. Darum wurde auch dieses Konzert zweimal aufgeführt, zum ersten Mal am Samstagabend um 19:00 Uhr in der Pfarrkirche St.Sebastian in Henau, am Sonntag dann um 17:00 Uhr in der Pfarrkirche St.Ulrich in Oberbüren. Dieser Bericht beschreibt das Sonntagskonzert.

Frühzeitiges Erscheinen von Vorteil

Dass der Gospelchor Oberbüren viele Fans hat, merkt man immer dann, wenn man nicht allzu früh dran ist. Schon um halb Fünf waren denn auch in Oberbüren schon die besten Ränge besetzt. Einige genossen von der hohen Empore herunter den Blick auf Chor und Band. Es sassen auch etliche Ehemalige Chormitglieder unter der begeisterten Zuhörerschaft. Auf der sehr schön gestalteten Homepage stellt sich der Chor mit all seinen Mitgliedern auf sympathische Weise vor. Gospelchor Oberbüren

Zweigeteiltes Programm

Das Motto hiess diesmal „Gospel – ohni Hemmige“ und umspannte den Gospelteil bis zum letzten offiziellen Lied HEMMIGE des unvergesslichen Mani Matter. Die Band baute mit einem hinreissenden Soloteil die Brücke zwischen afroamerikanischer Frömmigkeit und helvetischer Lebensphilosophie gesungener Art. Überhaupt die Band: Sie war die Konstante im ganzen Konzert, unterstrich, vertiefte oder überglänzte die Darbietungen des Chors.

Zur grossen Freude des Publikums dirigierte Bruder Karl Bauer die letzten zwei Stücke des ersten Teils, beim Hinunter- und Hinaufgehen sorgfältig unterstützt von Chorsängerinnen. Anja Gähwiler strahlte am Schluss des Konzerts und freute sich am jubelnden Applaus. Mathe Kessler war für die gute Tonmischung besorgt, Samuel Schönenberger für das passende Licht – leider ohne Bild.

Moderation aus der Mitte des Chors

Moderatorin Ursina Brühwiler stimmte das Publikum humorvoll auf die Liedblöcke ein. Sie gab beispielsweise der Hoffnung Ausdruck, dass doch die Kirchenmauern beim Lied JOSUA FIT THE BATTLE OF JERICHO nicht zusammenfallen würden, auch wenn das im Lied so gemeint sei. Die Band begann hier sehr langsam, besinnlich, dann setzten die Männerstimmen a capella ein, bis ein wunderbares Trompetenspiel den Anfang zu einem fulminanten Liedteil machte und man schliesslich doch fast vermeinte, die Mauern wanken zu spüren. Mit einem deutlichen „Stampf“ aller Mitwirkenden schloss der von Anja Gähwiler ganz speziell arrangierte Gospel, in welchem auch richtig schräge Töne Platz gefunden hatten.

Eindrücke vom Choreinsatz. Die Frau mit dem Mikrofon in der oberen Reihe links ist Moderatorin Ursina Brühwiler. Auch Gesten gehören zu einem energievollen Gospel. Oder eine Art Geschlechterkampf im Song VO VORN, alles nochmals von vorne…

„Schwarzer Soul“

Ursina Brühwiler sagte voll Freude auch eine „Wiederkehrerin“ als Solistin an, nämlich Anastasia Iakovidis. Mit viel Energie und sichtbarer innerer Übereinstimmung mit dem Gesungenen füllte sie mit ihrer Stimme den Kirchenraum. Wer die Augen schloss, wähnte sich plötzlich in einer amerikanischen Südstaatenkirche voller schwarzer Menschen, in deren Mitte eine bewegte schwarze Gospelsängerin. Die Lieder gingen unter die Haut. Besonders berührend war, dass da Bruder Karl – Gründer und langjähriger Leiter des Chors – von Chorfrauen sorgfältig von der Treppe herunter und wieder auf seinen „Singplatz zurückbegleitet, so selbstverständlich wie eh und je am Dirigentenpult stand. Das Lied IN THE UPPER ROOM, ganz besonders arrangiert und ausdrucksstark abwechslungsweise von Frauen- und Männerstimmen vorgetragen, dazu die warme, volle Stimme von Anastasia Iakovidis über allem geriet zu einem absoluten Hochgenuss! Der Applaus wollte denn auch fast nicht mehr enden.

Immer wieder traten Chormitglieder solistisch auf. Fredy Ziegler glänzte als Solist im Stück I’M GONNA WALK THEM GOLDEN STAIRS. Beat Lütolfs solistische Einsätze gehören einfach zu einem Konzert des Oberbürer Gospelchors. Einmal waren gar drei Herren als Solisten im Einsatz: Raphael Brühwiler – er hatte auch einen Soloeinsatz bei LET US GO INTO THE HOUSE OF THE LORD – sowie Hampi Brändli und Beat Lütolf. Anastasia Iakovidis, die angekündigte „Rückkehrerin“, legte ihre ganze Seele in die Songs IN THE UPPER ROOM und – in der Zugabe – in STAND BY ME. Schliesslich trat Monika Basler im Lied ICH LASS KONFETTI FÜR DICH REGNEN auf. Allen wurde heftig applaudiert.

Elvis Presley singt I’M GONNA WALK THEM GOLDEN STAIRS

Neuer Solist

Beim Lied „Niemer im Nüt“ von Patent Ochsner brauchte es einige Augenblicke, bis der Solist ausfindig gemacht werden konnte. Denn dieser sass – ziemlich versteckt – am Keyboard, begleitete sich selber und sang sehr berührend den recht melancholischen, ja gar philosophischen Text von Büne Huber. Das war auch für den Gospelchor eine Premiere. Christian Schneebeli wäre auch eine gute Verstärkung im Chor, aber sein Leben sind eben Tasten…

Solo-Part der Band

Die Band hatte grossen Anteil am Gelingen dieses Konzerts. Von links: Christian Schneebeli, unverzichtbarer Keyboarder; Andi Kaiser, E-Gitarre; Uli Brandt, Perkussion und schliesslich Patrik Arnold, Trompete. Ihr Spiel wurde von vielen Bravo-Rufen begleitet.

Die Band ist bei einem Chor dieser Ausprägung meist Unterstützerin, Taktgeberin und überhaupt „tonangebend“. Sie hat aber kaum solistische Funktion. Darum freut sich das Publikum auch immer, wenn ein Stück einmal nur instrumental vorgetragen wird. Hier konnten nun die einzelnen Instrumente als teilweise eigenständige Stimmen herausgehört werden. Patrik Arnold, virtuoser Trompeter, ist in Uzwil und Umgebung kein Unbekannter, ist er doch an den Musikschulen Oberuzwil-Jonschwil, Uzwil und Thurland als Musiklehrer tätig. Man hat ihn auch schon in Konzerten des Konzertzyklus Uzwil gehört. Am Konzert in Oberbüren zeigte er alle Facetten seines Instrumentes, spielte glasklar, warm oder auch schnarrend à la Satchmo – wie man Louis Armstrong nannte – und gab der Band damit besonderen Glanz. Im Hintergrund sass Uli Brandt an einer reduzierten Perkussion, beinahe unsichtbar, aber dennoch gut und angenehm hörbar. Andi Kaiser gab mit seinem E-Bass das rhythmische Fundament, von Christian Schneebeli auf seinem Keyboard begeistert aufgenommen und in eigene Tonkaskaden und schnelle Läufe umgemünzt. Es war ein Genuss, hier zuzuhören.

Mundart-Rock

Ursina Brühwiler hatte es schon angetönt, als sie Anja Gähwiler für den Einblick in die musikalischen Glückswelten der jungen Generation dankte. Natürlich geht es immer um die alten Themen von Liebe, Verliebtheit, Verlassenheitskummer und andern „Alltäglichkeiten“, die alle Menschen irgendwann betreffen. Patent Ochsners Abschiedssong an eine Elisabeth – GUET NACHT ELISABETH – erfreute mit einem ganz subtilen Zwischenteil der Band, die Trompete war diesmal mit einem Schallbecher abgedämpft worden. Und das alte Volkslied STETS I TRUURE MUESS ICH LÄBE mit der bitteren Erkenntnis „Oh, wie wohl ist’s einem Menschen, der nichts von Liebe weiss“ hat die Dirigentin nach der Version von Hanery Ammann und Polo Hofer mit einer Leichtigkeit versehen, die als unerwarteter Gegensatz zum oft äusserst melancholisch dargebotenen Volkslied wahrgenommen wurde. HEMMIGE von Mani Matter machte den Abschluss eines fulminanten Konzerts.

Freundlich, aufmerksam und bestimmt dirigierte Anja Gähwiler ihren Chor. Dieser folgte den Anweisungen willig und machte es seiner musikalischen Leiterin damit leicht. (Bild: Gianluca La Rocca)

Zugaben als Geschenk an ein begeistertes Publikum

Natürlich wiederholte der Chor nicht einfach ein paar Lieder aus dem Programm, sondern bot noch einmal einen Einblick in sein umfangreiches Repertoire. STAND BY ME, I’M STILL HAVEN’T FOUND WHAT I’M LOOKING FOR und schliesslich zum Dritten ein Lied von Mark Forster namens CHÖRE – ICH LASS KONFETTI FÜR DICH REGNEN, eine Art Hymne an jeden Menschen, sich nicht kleinmachen zu lassen. Der Song ist im Soundtrack zum Film WILLKOMMEN BEI DEN HARTMANNS zu hören. Hier gab der Chor noch einmal alles. Oho, oho, oho…!!! Unter tosendem Applaus verliessen Sängerinnen und Sänger darauf die Kirche.

Mani Matters „Hemmige“ mit Stephan Eicher

Scharlachrot – von Patent Ochsner

Text und Lied NIEMER IM NÜT

Guet Nacht Elisabeth

Chöre – Ich lass Konfetti für dich regnen