Bo und Ronja Katzman: Ein «Feelgood-Abend» voller Emotionen
Fredy Willi, Präsident der Kulturstiftung «ALTI GERBI OBERUZWIL» begrüsste nebst dem Publikum, welches die Halle gefüllt hatte, drei Künstlerpersönlichkeiten, obwohl auf den Ankündigungen nur ein Duo zu sehen gewesen war. Als die zwei Personen aber auf die Bühne hüpften, wurde schnell klar, wieso. Ronja Borer, die mit ihrem Papa Bo Katzmann «Double Emotions» – doppelte Emotionen – auf die Gerbi-Bühne bringen wollte, zeigte ein kleines Babybäuchlein. So war bereits zu Beginn des Konzerts etwas Vor-Adventsstimmung im Lokal zu spüren.
Feelgood – oder «hyggelig», wie die glücklichen Dänen sagen
Katzman versprach einen «Feelgood-Abend», also ganz viel Gemüthaftes. Das Publikum kam in den Genuss einer Reise durch die Folk- und Country-Szene bis hin zu Gospelgesängen. Und er hatte nicht zu viel versprochen. Schon bald wähnte man sich daheim in der guten Stube, konnte mitsingen, wenn einem danach war, wurde zum Mitklatschen animiert und wieder davon ausgeladen, war einfach immer voll dabei.
Bo Katzman
An diesem Abend wurde zudem ein weiteres Rätsel der Menschheit gelöst. «Ist jetzt das der richtige Name des Künstlers oder doch ein Künstlername?», so hiess die Preisfrage. In einer seiner Moderationen nahm Katzman plötzlich ein Buch – SEIN Buch – hervor und las eine kleine Passage daraus vor. So erfuhr das Publikum, dass der Musiker eigentlich Reto Borer heisse. Aber schon in der Schule war er nur der «Bo» – Kinder sind da ja immer äusserst kreativ. Und manchen bereits ergrauten Herrn begrüssen Kolleginnen und Kollegen auch später weiterhin mit dessen Spitznamen.
Doch wie kam es zu «Katzman?» Er war ein grosser Katzenfan und fackelte nicht lange, als ein Kollege Kätzchen zu verschenken hatte. Von da an war diese Katze immer dabei, der Mann sang Protestsongs mit der Katze auf der Achsel. Wenn er aber Gitarre spielte, wollte das Kätzchen immer die Hand erhaschen – so gab er das Tierchen jemandem im Publikum zum Halten, bis das Stück fertig war. Und weil er spürte, dass mit seinem eigenen Namen auf den grossen Weltbühnen kein Staat zu machen sei, überlegte er sich poppigere Künstlernamen. «Kamikaze» vielleicht? Oder «Bo the Cat?» Oder gar «Catman», in Anlehnung an «Batman»? Schliesslich kam er auf «Katzenmann». Das musste aber natürlich als Gospel- und Folksänger englisch gefärbt sein – so wurde der Name «Katzman» geboren, eine Mischung zwischen den beiden Kulturen.
Plaudereien
Vater und Tochter wechselten sich mit der Moderation ab. Es war wie in der guten Stube. Alle waren einbezogen, hörten den teils abenteuerlichen Geschichten des Vaters zu, der in jungen Jahren offenbar viel von den jeweiligen Jugendkulturen mitbekommen hatte. Die Disco-Welle schien ihm dabei eine Zeitlang besonders passend. Er berichtete auch davon, welchen persönlichen Aufstieg auf der Karriereleiter er doch gemacht habe. Vor zwei Jahren hätte er einen Auftritt in Niederuzwil gehabt, jetzt also in Oberuzwil – ein wahrer Höhenflug. Man hörte den Beiden gerne zu. Und freute sich darüber, wenn man noch die eine oder andere Zusatzinformation bekommen konnte.
Tiefgründiges
Es war aber nicht einfach ein Geplauder. Sehr aufmerksam lauschte das Publikum beispielsweise der Schilderung seines schlimmen Töffunfalls auf seiner 600-BMW mit zwanzig Jahren, der ihn in eine andere Welt brachte – ein Nahtoderlebnis, das ihn tief veränderte. In einem Gespräch schilderte er dieses Erlebnis und schrieb dazu auch ein Buch namens «Zwei Minuten Ewigkeit». Diese Ernsthaftigkeit, gepaart mit einem feinen Humor und viel Ausstrahlung, berührte ganz besonders.
Ronja Borer
Tochter Ronja hat ebenfalls eine beeindruckende Sängerkarriere eingeschlagen. Auf der Bühne nennt sie sich wie ihr Vater «Katzman». Auf ihrer Webseite können ihre vielseitigen Tätigkeiten im musikalischen Bereich nachgelesen werden. Immer wieder konnte beobachtet werden, wie stolz der Musiker auf seine stimmgewaltige Tochter ist.
Auch sie bekam einen wichtigen Platz auf der Bühne. So legte sie – sehr zur Verblüffung und Freude des Publikums – den Ku-Ku-Jodel von Melanie Oesch in atemberaubendem Tempo vor. Das sei ihre heimliche Liebe, der sie auch im Auto fröne. Gleich darauf lotse sie das Publikum mit dem Hit Think of Me in die Pariser Opera, denn dort trieb das Phantom der Opera sein Unwesen. Hier unterstützte die Playback-Musik mit einem grösseren Orchesterklang, denn Ronja Borer sang allein, mit gut geschulter Musical-Stimme, am Schluss gar ohne Begleitung, Hühnerhautfaktor eingeschlossen.
Künstler Katzmann – seine Entstehungsgeschichte
In jungen Jahren war der Mann gerne als Strassenmusiker unterwegs. Auch das Autostöppeln gehörte damals offenbar zu seinen Leidenschaften. Dann studierte er an der Musikhochschule Basel, welche er mit dem eidgenössische Diplom als Musiklehrer für Gesang und Chorleitung abschloss. In verschiedenen Rockbands war er auch immer wieder als unverzichtbarer E-Bass-Spieler unterwegs.
Für viele wurde Bo Katzman vor allem wegen seiner Auftritte als Gründer und Leiter des grössten Schweizer Gospelchors bekannt. Der «Bo-Katzman-Chor» war eine feste Grösse, besonders in der Adventszeit, wenn sie die Hallen füllten mit energiegeladenen Liedern, die das Publikum verzückten. Auch am Radio konnte man ihn oft um die Weihnachtszeit herum mit dem Berner Musikerkollegen Peter Reber hören.
Nun hat er die Anzahl seiner Gesangspartner von zweihundert auf zwei heruntergeschraubt, mehr Eigenes hineingebracht und so neue Energie und Kreativität tanken und ausleben können. Dem Oberuzwiler Publikum gefiel das ausgezeichnet, seine früheren Chöre hätten schliesslich auch gar nicht auf der nicht gerade grosse Gerbi-Bühne Platz gehabt. Zudem passt so das ganze musikalische Equipment in einen Van, was auf Tournee ganz praktisch sein kann.
Rocksongs
Die Rockmusik hat den Musiker Katzman nebst den Gospelsongs ebenso gefesselt wie die Countryszene. So genau lassen sich ja manche Songs auch gar nicht immer einer bestimmten Musikrichtung zuordnen. Mit dem Song «Ring of Fire» des unvergesslichen Johnny Cash zeigte das Duo, dass es sein Handwerk beherrscht. Natürlich muss man bei gecoverten Werken immer ein wenig Abstriche machen, weil solche bekannten Stücke auch an die Stimme des Hitsängers gekoppelt sind. Das fiel etwa bei «I Wanna Dance With You» von Whitney Houston für eingefleischte Fans vermutlich auf. Es ist aber auch eine Hommage an Künstler oder Künstlerin, wenn ihre Lieder auch nach dem Tod der Vortragenden weiter in Konzerten vorkommen. Nicht unerwähnt bleiben soll da auch der eingängige Jailhouse Rock von Elvis Presley, allerdings ohne dessen damals als obszön empfundene Hüftschlenker dargeboten.
Katzman hat alle vorgetragenen Lieder auf Duo-Grösse umgeschrieben, dazu eine Art Playback-Instrumentierung kreiert und am Anlass dann mitlaufen lassen. Dank seinem aufmerksamen, zuverlässigen Techniker Ridha Schnydiger hörte man diese Beimischungen zwar, fühlte sich jedoch nie davon gestört. Im Gegenteil! Stellenweise war der Bass vielleicht etwas markant, meist aber waren die Stimmen und Gitarren das Bühnenbeherrschende.
NO MONEY IN MY POCKET – kein Geld in meiner Hosentasche – ein elektrisierender Song, der davon erzählt, dass die kleinen Dinge, die nichts kosten, viel mehr wert sind als ein Haufen Geld. Hier animierte der Sänger zum Klatschen, was man dem Gerbi-Publikum nie zweimal sagen muss. Die Halle vibrierte richtiggehend. Der Cindy Lauper-Hit True Colors ist so etwas wie eine Selbstermächtigungshymne mit der Aussage: «Lass deine Farben strahlen, zeige dein wahres Ich in allen Facetten». Auch hier legte das Duo seine ganze Seele in die Darbietung.
Philosophische Texte, eingängige Melodien
Nach der Pause stand Katzman wie ein Cowboy auf der Bühne, einzig der Cowboy-Hut fehlte noch. Seine Tochter hatte sich derweil hochhackige Stöcklischuhe angezogen. Kraftvoll begann der zweite Teil mit dem Welthit «Purple Rain», der Rockballade von Prince, 1984 herausgekommen. Inhalt der Ballade sind Lebensthemen wie Liebe, Verlust, Reue und Erneuerung.
Auch Reinhard Mey schuf unzählige tiefgründige Lieder, oft mit einem Augenzwinkern versehen, man denke nur an sein Lied Ich bin Klempner von Beruf. Das Duo sang allerdings das zum alterslosen Hit gewordene Lied Über den Wolken, welches die Alltagssorgen kleiner werden lässt, wenn man sie aus einer anderen Perspektive ansieht. Bei beiden Liedern sang das Publikum lautstark mit, vor allem beim Refrain, einige kannten aber auch den Text.
Gospel-Rap
Die Baumwollfarmer und anderen Sklavenhalter merkten, dass ihre Leute besser arbeiteten, wenn sie dazu sangen. Dann kamen Missionare ins Land und kreierten Gesänge mit Themen aus dem Alten Testament, kernige Geschichten, die diese Männer auch verstehen konnten. Die Absicht war natürlich die Bekehrung zum Christentum. Katzman sang zu diesem Thema einen Rap mit 7000 Wörtern in zwei Minuten – «It’s Gonna Rain» – die Geschichte rund um die Sintflut und den Bau der Arche Noah. In dieser Geschichte wird der Regenbogen zum Symbol einer Brücke zwischen Himmel und Erde erklärt.
Grosszügige Zugaben
Wie meistens hatte das Publikum nach dem offiziellen Konzertteil – durch eine zwanzigminütige Pause unterbrochen – noch nicht genug. So fragte der Sänger nach einem Publikumswunsch.
Darauf erklang Hallelujah von Leonard Cohen aus vielen Publikumskehlen. Nach dem Dank Bo Katzman an die Veranstalter vor und hinter den Kulissen versprach dieser nochmals einen Gospelsing – Swing Low, Sweet Chariot, diese Hoffnung, dass der Himmelswagen herabkommen und seine an ihn Glaubenden in den Himmel abholen werde. Das Duo sang das Lied, sonst eher gemächlich vorgetragen, in atemberaubendem Tempo. Mit dem wirklich letzten Lied «Don’t Block the Jukebox» von Folksänger John Martyn und nachfolgendem Riesenapplaus schloss der abendliche Ausflug ins Reich der Bo- und Ronja-Katzman-Musik.
Nächster Anlass in der Alten Gerbi: Samstag, 18. Januar 2025 um 20:00 Uhr
Florian Schneider Lesung aus «Chröt im Haber & Chrähien im Chorn» – begleitet durch Roman Bislin, Piano und Adam Taubitz, Geige