Der Befehl – Interniert
Chronos-Verlag Zürich: Marie-Isabelle Bill: Interniert
Polnisch-schweizerische Familiengeschichten
ISBN 978-3-0340-1589-9 272 Seiten
Der Chronos-Verlag hat 2020 ein weiteres zeitgeschichtlich und gesellschaftspolitisch interessantes Buch herausgegeben, angestossen von der Interessengemeinschaft internierter Polen in der Schweiz. Diese wurde am 21. September 2013 im Polenmuseum Rapperswil gegründet mit dem Ziel, dieses Kapitel schweizerisch-polnischer Verbindungen aufgrund der Kapitulation der 2. polnischen Schützendivision mit 12500 Mann aufzuzeigen Diese war im Juni 1940 von der Übermacht der deutschen Wehrmacht im französischen Jura eingekesselt worden und darauf in die sichere Schweiz geflüchtet. Die Männer wurden interniert und möglichst von der Bevölkerung ferngehalten. Nebst diesen Polen wurden aber auch fast 30‘000 Franzosen, einige Hundert Belgier und 99 Schotten interniert.
Schon der Buchdeckel lässt erahnen, was im Innern des Buches beschrieben wird. BEFEHL und INTERNIERT heisst es da, fett und hervorgehoben. Im Buch selber geht es um Familiengeschichten, die es eigentlich gar nicht hätte geben dürfen. 21 Personen erzählen darin ihre Lebensgeschichte. Viel ist von Flucht, von Angst vor den Nazis, von Vertreibungen die Rede. Wenn auch immer wieder Dankbarkeit gegenüber dem schweizerischen Staat durchschimmert, wird doch klar, wie streng, ja unmenschlich die Regeln für die Internierten waren. Man wollte vor allem verhindern, dass sich Polen mit schweizerischen Frauen trafen. Doch verhindern liess sich das trotz aller Befehle und Verbote nicht, wie die Porträts der gut zwanzig Lebensgeschichten zeigen.
In praktisch allen Porträts wird die starke Verbundenheit der Männer zu ihrem Heimatland Polen und dessen wechselhafter Geschichte deutlich. Trotz Widrigkeiten das Leben feiern, und zwar im grossen Familienverband, mit Gesang, feinem Essen und dem einen oder andern geistigen Getränk.
Bundesrat Ueli Maurer hat eine kurze Einführung in dieses Stück schweizerisch-polnischer Geschichte geschrieben. Das eigentliche Vorwort verfasste der ehemalige SP-National- und spätere Ständerat Claude Janiak als selber betroffener Nachkomme eines Internierten. Die jungen Männer mussten als Internierte harte Arbeit leisten und so für ihren Unterhalt sorgen. Die offizielle Schweiz sorgte aber auch dafür, dass junge, begabte Männer Zugang zu Weiterbildungen bekamen, mehrere studierten beispielsweise an der ETH oder andern Bildungsstätten.
Was besonders betroffen macht, ist der Umgang mit den Frauen, die sich mit polnischen oder anderen ausländischen Partnern verheirateten. Sie verloren vom Datum der Hochzeit an das Schweizer Bürgerrecht, wurden damit sogar manchmal staatenlos. Manchen gelang es später, das Bürgerrecht wieder zurückzubekommen. 1952 wurde diese Praxis endlich abgeschafft. Sie hatte sehr viel Leid verursacht und der Willkür von Behörden Tür und Tor geöffnet.
Im Chronos-Verlag ist dazu ein weiteres Buch erschienen: «Die verlorenen Töchter» Die Historikerin Silke Margherita Redolfi beschreibt im Buch einzelne Schicksale und die Hintergründe der ausgebürgerten Schweizerinnen. Chronos-Verlag, 2019, 456 Seiten ISBN 978-3-0340-1504-2