FIFA-19-TURNIER in der Bibliothek Uzwil: Nicht einfach nur „gamen“…
Viele Eltern können ein Lied davon singen, wenn sie versuchen, ihre Teenager – manche Kinder auch schon früher – von ihren Games wegzubringen. Zu verlockend sind die Abenteuer im weltweiten Netz. Und nun kommt auch noch die Bibliothek und bietet sogar ein solches Turnier an! Was soll das? Das haben sich sicher manche Leserin und mancher Leser dieser Ausschreibung gedacht. Doch es gibt handfeste Gründe für diese Art „Event“.
Wie bringt man Buben zum Lesen?
Buben sind in der Bibliothek meist eine Minderheit, ausser wenn es um Sachbücher oder Comics geht. Natürlich gibt es auch die Leseratten, die alles verschlingen, was Buchstaben hat, und die dabei die ganze Welt vergessen. Aber es sind eben doch noch viel zu viele Buben, die nur dann einen solchen Lesetempel aufsuchen, wenn sie von der Schule dazu genötigt werden. Wenn nun in der Bibliothek ein solcher Gamer-Nachmittag angeboten wird, passt das absolut zur Absicht, Buben in die Bibliothek zu bringen.
http://gamemobil.ch/ Verein Game-Mobil
Pädagogische Überlegungen
Simon Schultze, Dozent für Information Research und Medienpädagogik an der Hochschule für Technik, hat schon in den Uranfängen mit dem Gameboy Bekanntschaft gemacht. Die Freude am Gamen ist ihm bis heute geblieben. Als Erwachsener wollte er gerne etwas Ehrenamtliches machen. Seine Motivation war es, weniger Privilegierten der Gesellschaft neue Möglichkeiten der persönlichen Entwicklung zu erschliessen. Ihm war schon lange aufgefallen, dass gerade Buben oft einen grossen Bogen um Bibliotheken machten und noch immer machen. Provokativ meint er: „Bibliotheken sind ungerecht!“ und untermauert das mit der Feststellung, dass Bibliotheken für eher bildungsferne Buben absolut kein Treffpunkt seien.
Auch erlebte er in seinen Jugendjahren, wie gerade Buben mit einen fremdländischen Namen oft unterschätzt wurden und deshalb den Einstieg in gute Arbeitsbedingungen nur erschwert fanden. Dem wollte er entgegenwirken. Zusammen mit Sharon Fuchs, welche ihn als Assistentin unterstützt, und dem Arbeits-Agogen Micha Wagner führte er den Nachmittag durch. Der FC St.Gallen unterstützt diese Turniere mit Preisen für die Mitmachenden. Der Club steigt auch selber in den Markt des E-Sports ein, denn dieser Sparte wird eine grosse Zukunft verheissen.
Verein Game-Mobil
Zwei Semesterprojekte der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur – HTW Chur – gaben den Anstoss für den Anlass „Game-Mobil in Bibliotheken“. In enger Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek St.Gallen sowie den Bibliotheken Rorschach/Rorschacherberg und St.Margrethen entstand so ein pädagogisch ausgereiftes Angebot für Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 17 Jahren. Auf der Homepage des Vereins heisst es: „Mit seinem Engagement fördert der Verein die Videospielkultur und die soziale Interaktion zwischen den Spielenden und etabliert die Bibliotheken als sozialen Treffpunkt.“ Drei Angebote sind möglich:
- FIFA-Turnier für Spieler und Spielerinnen, die den Wettbewerb mögen
- Minecraft als kreative und kooperative Herausforderung
- Einblick in die VIRTUAL REALITY – dabei können Spiele mit einer speziellen Brille ausprobiert und räumlich nachvollzogen werden
http://gamemobil.ch/ Verein Game-Mobil
FIFA-Turnier in der Bibliothek Uzwil
Uzwil ist bereits die 7. Bibliothek, in welcher der Anlass mit grossem Erfolg durchgeführt wurde. An drei grossen Leinwänden konnten je zwei Kinder oder Jugendliche spielen. Am Turnier waren jedoch 40 Jugendliche dabei. Bestimmt hatten alle schon mehr oder weniger grosse Erfahrung mit Joystick und Spielmodus. (Es könnten sogar bis zu 64 junge Leute mitmachen.)
Ein Durchgang dauert jeweils acht Minuten, danach wechselt das Team. Doch was machten die restlichen Buben und einzelnen Mädchen in dieser Zeit? Sie schauen zu. Allerdings wird das irgendwann mal langweilig. Und so begann sich auch in Uzwil das eine oder andere Kind ohne jede Aufforderung vorsichtig in der Bibliothek umzuschauen. Und genau das gehört zum Konzept. Man will den Kindern ein gemeinsames Erlebnis ermöglichen und gleichzeitig die Schwellenangst zur Bibliothek möglichst abbauen.
Wissenschaftlicher Hintergrund
Die Turnier-Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden jeweils gebeten, einen kleinen anonymen Fragebogen zu ihrem persönlichen Umfeld auszufüllen. Damit sollen Motivation und soziales Umfeld der einzelnen Jugendlichen etwas erfasst werden, denn das Projekt befindet sich in einer Testphase und soll wissenschaftliche Erkenntnisse liefern. In der Einleitung zu seiner Bachelor-Arbeit „Videospielturniere in öffentlichen Bibliotheken“ schrieb Schultze übrigens erstaunlicherweise, dass er konsequent die weibliche Form verwende, welche sinngemäss auch für das männliche Geschlecht gelte.
Bachelor-Arbeit von Simon Schultze
Die Kinder – auch einige Mädchen waren eifrig dabei – waren so engagiert, dass der Nachmittag viel schneller zu Ende ging als auf dem Programm angegeben. Neun von ihnen dürfen nun am Major-Turnier teilnehmen.
Hier die Namen der Siegerinnen und Sieger
Altjani Merseli
Melisa Merseli (Mädchen)
David Seifert
Dalibor Krkalovic
Cyrille Müller (Knabe)
Benjamin Maurer
Lazar Milosavljevic
Arijanit Shaini
Sascha Hilber