Grossansturm in der Uzwiler Bibliothek
Meistens reicht der Platz in der Bibliothek für hauseigene Veranstaltungen gut aus. Doch diesmal mussten nach Aussage von Bibliotheksleiterin Jolanda Erismann rund zwanzig Absagen erteilt werden, obwohl bis in die allerhinterste Ecke noch Stühle aufgestellt worden waren. Um die hundert Personen kamen jedoch in den Genuss einer Begegnung mit einer der berühmtesten Frauen aus Uzwils Reihen.
Heidi-Maria Glössner
Der Name „Heidi-Maria Glössner“ hat in Film- und Theaterkreisen einen guten Klang, und das seit fünfzig Jahren. Einem breiten Publikum wurde die Frau durch Filme wie den Grosshit «Herbstzeitlosen» oder auch «Verstrickt und zugenäht» bekannt. Im weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Herbstzeitlosenfilm spielte sie das Amerika-Lisi, welches allerdings gar nie dort gewesen war, sondern sich mit dem Anschein von Weltläufigkeit einen Traum erfüllte. Wikipedia – Herbstzeitlosen
In Wirklichkeit hat Heidi-Maria Glössner jedoch tatsächlich ein Jahr samt Mutter und Bruder in Santa Monica, California, gelebt und dort vor allem das Partyleben kennengelernt. Nur wenige können jedenfalls von sich behaupten, von Dean Martin persönlich einen Drink gemixt erhalten zu haben. Sie lernte da auch das Filmgeschäft kennen, fand es anfänglich jedoch ziemlich langweilig. Auch Las Vegas lernte sie kennen, sie schwärmte in der Bibliothek richtiggehend von dieser ganz besonderen Casino-Atmosphäre.
Im Film über die Schwierigkeiten der schweizerischen Textilindustrie mit dem NAMEN Verstrickt und zugenäht spielt die Bühnenkünstlerin eine Direktionsgattin, die von ihrem Mann verlassen wurde und nun mit einem Haufen Schulden dasteht. In beiden Filmen wirkte auch die Mimin Monika Gubser mit, die gerade in diesen letzte Februartagen ganz unerwartet verstorben ist, auch sie eine unvergessliche Darstellerin.
Jugend in Niederuzwil
Eigentlich wurde Heidi-Maria Glössner 1943 in Messkirch in Süddeutschland geboren. Die Mutter brachte das kleine Wesen danach unverzüglich zu ihrer besten Freundin Maria del Maso nach Niederuzwil, war sie doch selber dort aufgewachsen, bei einem Onkel . Zu gefährlich war es in Deutschland wegen all der Bombenangriffe mitten im Zweiten Weltkrieg. Vorgesehen war, dass die Mutter mit dem 12 Jahre älteren Bruder bald nachkommen werde. Doch das misslang, weil die Grenze geschlossen wurde. Ihre Schilderung der Treffen mit ihrem Müeti griff ans Herz. Sich vorzustellen, wie ein kleines Mädchen die eigene Mutter nur wenige Augenblicke und zudem nur durch einen Gitterzaun sehen durfte, das tönte sehr dramatisch. Und doch beschrieb die Künstlerin ihre Jugend als „ausgesprochen schön und liebevoll.“ In verschiedenen Zeitschriften war dazu etwas zu lesen, so auch in der SCHWEIZER ILLUSTRIERTEN.
Schweizer Illustrierte: Heidi-Maria Glössner zum 75. Geburtstag
Alphabetisches Interview
Jolanda Erismann gliederte ihr Interview nach dem ABC. «Oh, das kann aber lange dauern!», meinte dazu Heidi-Maria Glössner spitzbübisch. Erst setzte sie jedoch ihre „Weitsichtbrille“ auf und suchte im Publikum nach bekannten Gesichtern. Davon waren etliche anwesend. Die gemeinsame Schulzeit verbindet eben durchs ganze Leben hindurch. Auf sympathische, sehr empathische Art erzählte die Künstlerin aus ihrem Leben. Der Buchstabe K geriet besonders emotional. Da hatte doch eine Filmgesellschaft sie und ihren damaligen Mann eingeladen, um die Zukunft zu planen. Damals war Glössner gerade Mutter eines kleinen Sohnes geworden. Sie wollte jedoch keine Sekunde der Entwicklung dieses ihr anvertrauten kleinen Wesens verpassen und stellte deswegen vehement die Erziehung des Kindes vor die Karriere. Das habe sie nie bereut. Sie kann heute dennoch auf mehr als 50 Jahre Bühnenerfahrung zurückblicken.
Fundierte Ausbildung
Für Heidi-Maria Glössner war schon im Kindergartenalter klar, dass die Bühne ihr Lebensaufenthalt werden solle. „Der Rattenfänger von Hameln“ hatte die kleine Heidi-Maria dazu bewogen. Doch ihre Erziehungsverantwortlichen verlangten nach der obligatorischen Schulzeit erst eine „brotbringende“ Ausbildung, welche die junge Frau in die Handelsdiplomabteilung der Kanti St.Gallen brachte. Fremdsprachen liebte sie, und die Steno-Kenntnisse in mehreren Fremdsprachen sowie ihr Aufenthalt in Kalifornien brachten ihr später einen Arbeitsplatz an der ETH ein, wo all diese Qualifikationen gefragt waren. Und die ihr ermöglichten, ihren Traumberuf nebenher zu studieren.
Spannende Lesung
Beim Buchstaben L war dann die Bühnenkünstlerin gefragt. Elke Heidenreich ist für Literaturinteressierte keine Unbekannte. Aus deren Erzählband DER WELT DEN RÜCKEN las Heidi-Maria Glössner die skurrile Geschichte WURST UND LIEBE VOR. Wobei «lesen» die Sache nur ganz unzureichend trifft. Die Frau stand auf, öffnete das Büchlein und schlüpfte sofort gut sichtbar in die Rolle der Hauptfigur Doris, der der etwas schmierige Regisseur Harry von einem ganz besonderen Filmprojekt vorschwärmte. Er wollte einen Krimi drehen, natürlich versüsst durch eine sentimentale Liebesgeschichte. Sie sollte dazu die richtigen Liebesschwüre liefern, er würde diese dann «verwursten». Das Zuhören war ein Genuss, denn die gepflegte Aussprache und die Mimik entführten die Zuhörerschaft sofort in dieses Zimmer, in welchem das Gespräch stattfand. Der Applaus war denn auch beinahe donnernd, einzig der Theatervorhang fehlte…
Vergnügliche Plauderstunde
Man erfuhr viel aus dem Leben dieser besonderen Frau, die mit 76 Jahren so vital aus ihrem Leben erzählte. Jolanda Erismann hatte sich die Fragen sehr gut zurechtgelegt, sodass es auch für ihre Interviewpartnerin eine spannende Sache war. So offenbarte Glössner, dass sie die Rolle der Maria Callas ganz besonders mitgenommen habe. Wie deren langjähriger Geliebte Ari Onassis diese Frau gedemütigt habe, indem er statt sie kaltschnäuzig die weltbekannte Stilikone und Kennedy-Witwe Jackie geheiratet habe, das habe sie persönlich bis ins Mark getroffen. Von A-Z gab es verschiedene Lebensstationen, die eine aufs Leben neugierige, den Menschen zugetane Frau mit ganz besonderen Begabungen zeigte. Und beim anschliessenden Apéro mischte sich die Mimin unter die angeregt diskutierende Menge und begrüsste da und dort alte Bekannte.
Was nicht gesagt wurde
Dass Heidi-Maria Glössner unterdessen ganz viele wichtige Preise, darunter auch „Die externe bürgerliche Medaille“ der Stadt Bern – eine ganz besonders Auszeichnung für eine „Nichtbernerin“ – erhalten hat, kam in diesem Interview nicht zur Sprache. Auch nicht, dass ihr im neuen Gemeindehaus Uzwil ein Sitzungszimmer gewidmet wird, genau gleich wie der ersten Bundesrichterin der Schweiz, Margrith Bigler-Eggenberger. 2016 hatte die Künstlerin auch den „Prix Walo“ als beste Schauspielerin erhalten.
Zusammen mit der eben verstorbenen Schauspielerin Monica Gubser wurde sie ausserdem 2017 mit dem Lebenswerk-Preis der Armin-Ziegler-Stiftung ausgezeichnet . Diese Aufzählungen sind vermutlich keineswegs vollständig…