Ist das der Himmel, den wir uns wünschen?
Die Donnerstags-Gesellschaft Oberuzwil lud ihre Mitglieder und weitere Interessierte zu einem „himmlischen Abend“ unter dem Titel «Oh-Psy» ein. Doch waren sich nach dem Abend nicht alle sicher, ob sie in einem solchen Himmel gerne leben würden.
Zwei Theaterpädagoginnen, die sich Gedanken zu Vergänglichkeit, Tod und einem möglichen Leben danach machen, regten zum Nachdenken über die Themen nach. «Oh-Psy» kann auf verschiedene Art verstanden werden, entweder als «obsi, Richtung Himmel» oder vielleicht auch als «Oh, psychisch auffällig». Im Laufe des Abends kamen beide Bedeutungen zu ihrem Recht.
Freudiger Empfang
Vorstandsmitglied Adrian Müller begrüsste hocherfreut die grosse Anzahl Kulturinteressierter. Die Verantwortlichen hatten um eine Anmeldung gebeten, um den Aufwand für den Hauswart der Unterkirche nicht allzu gross werden zu lassen. Aber auch Unangemeldete wurden selbstverständlich eingelassen. Gut 60 Personen liessen sich auf das himmlische Abenteuer ein. Sie wurden dabei mehr als einmal gedanklich auf die Probe gestellt. Donnerstagsgesellschaft Oberuzwil
Zwei Theaterpädagoginnen
Alice Hauschild und Sybille Frick sind beide Theaterpädagoginnen. Sybille Frick unterrichtet an der Schule Gossau ZH und bringt ihr Theaterwissen auch in den Schulunterricht ein. Alice Hauschild unterrichtet Sport, ist als Dozentin für Rollenstudium tätig und hat die Sportschule Magglingen absolviert. Für das angebotene Programm «Oh Psy!“ haben sie sich tief ins Metier rund um das verdrängte Thema Tod und Sterben hineinversetzt und damit ein abendfüllendes Programm zusammengestellt. Alice Hauschild
OH-PSY bei der Donnerstags-Gesellschaft Oberuzwil
Theaterspielen gegen eine «verkopfte» Welt
Regeln…
Es beginnt mit einem Paukenschlag. Man kann gar noch nicht anfangen, befindet eine der beiden Himmelsgestalten. Denn es sind noch zwei Stühle leer, Krähenbühls fehlen noch im Himmel. Da war doch ein Unfall mit dem Gartengrill. Vielleicht hat medizinisches Können ihr Kommen vereitelt. Aber hallo! In diesen Himmel kann man nicht einfach kommen, wann und wie man will. Da gibt es strikte Regeln. Mit einem Engelstanz werden diese Regeln festgestampft. Ob man im Himmel tatsächlich Cancan tanzt?
Gleiche Rechte für alle
Die Sache geht so weit, dass man nicht einmal mehr seinen Namen behalten kann, wenn man hier ankommt. Da gibt es nur noch Codes und Abkürzungen. Das Vermögen spielt keine Rolle, das Geschlecht ebenfalls nicht – die einzige Aussage lautet «Lasst los!» Nur gibt es da allerlei zu beachten.
Es gibt Grossraumbüros mit seltenen Abkürzungen für die Tätigkeiten in diesem Himmel. Für die Technik wäre dieser Steve J. zuständig, Nummer P51, aber noch immer nicht da. Und die Tschusis sind für die Sicherheit zuständig. Dabei könnte man doch meinen, im Himmel sei man nun absolut sicher. Und dann der Formularkrieg! Unglaubliche Bürokratie da oben!
Schwierige Integration
Jede ankommende Person muss so eine Abteilung zugewiesen werden. Da ist beispielsweise jemand aus der UBS – was die Frauen mit «Unbeschreiblich Banale Seelen» ausdeutschen. Der soll alles in Schliessfächer legen. Doch wo kann eine Seele klugerweise ein- und zugewiesen werden? Staunen durfte man über die Liste der Engel, die da im Himmel teilweise das Sagen haben. Bis jetzt war ein Engel «Vermicelle» jedenfalls noch nie in einer Schrift zu lesen.
Sind Todesanzeigen eigentlich wahr?
Warum sterben denn immer nur die Guten? Denn wenn man diesen Anzeigen Glauben schenken darf, waren es immer Menschen mit nur guten Eigenschaften. Eine der Frauen liest vor: «Sie war das Herz unserer Familie». Das kann natürlich stimmen, kommt auch sehr oft vor. Doch warum immer nur das Gute? Um ein wenig Verruchtheit in das Ganze zu bringen, verwandelte sich Alice Hauschild in ein Cowgirl, ganz echt mit hohen Stiefeln, Lederfransen und einer Pistole. Erst verblüffte sie mit einem Witz. «Was ist ein Cowboy ohne Pferd? – Ein Sattelschlepper!» Dafür muss das Tier natürlich tot sein, nur noch der Sattel ist mitzunehmen, wenn im Stau ein Unfall passiert. Das Cowgirl beantwortete das auf eigene Weise. «Was die Faust nicht regeln kann, macht die Pistole!“ Scheinbar hat ein französischer Philosoph einmal gemeint: «Jede und jeder hat eine ganz eigene Art zu sterben.“ Was der Pilot in der Off-Ansage gemeint hat, war – wie im wahren Leben auch – völlig unverständlich. Dafür wurde das Publikum mit einer Aufgabe in die Apéro-Pause geschickt. Man solle dem himmlischen Personal doch bitte Fragen aufschreiben.
Nach der Pause ging es dann wirklich zur Sache. Der Zettelkasten wurde geleert – ob da wohl auch nur eine einzige Frage aus dem Publikum gekommen war? Denn Fragen wie «Hat es hier auch Einzelzimmer?» oder «Endet jedes Leben mit dem Tod?» schienen doch eher den Gehirnen der beiden Himmelsfrauen entsprungen zu sein. «War jetzt die ganze Schönheitsoperation umsonst» oder «Kann man hier auch krank werden?» waren weitere Fragen. Eine chaotische Sitzung, in welcher Hauschild gleich mehrere Persönlichkeiten verkörperte, die zudem jede ein eigenes Temperament und einen unterschiedlichen Dialekt quer durch die Schweiz aufwiesen, wurde es ziemlich hektisch. Man stritt über Statuten und wer denn jetzt koche. Unter Himmelsruhe stellt man sich etwas anderes vor.
Möchte man das?
Da gab es die Aufforderung, sich doch einmal selber über dem Sarg schwebend zu sehen. Es war wie beim Herunterzählen an Silvester. Zurück ins Tertianum, wo man gerne den Notknopf gedrückt habe, dann weiter zurück, bis man wieder zum kleinen Kind werde – und das alles ende dann in einem «bombastischen Orgasmus». Die Szene erinnerte etwas an den Film «Der seltsame Fall des Benjamin Button» mit Brad Pitt. Auch eine Formel für sein persönliches Lebensalter hatten die beiden Damen anzubieten. Um diese zu verstehen, müsste man allerdings ein paar Stunden Nachhilfe bekommen.
Und so endete der Abend mit mehr als nur einer Frage. Beim Hinausgehen fragte jemand einen Besucher: «Wo möchtest denn du einmal hin?» Worauf dieser schmunzelnd meinte: «Ich glaube, ich möchte lieber nach unten, dort sind bestimmt die interessanteren Figuren anzutreffen.» Nur: Wer kann das wissen?
Nächster Anlass: Donnerstag, 22. September 2022 auf dem Areal der Oberstufe – mit Verabschiedung der ausgetretenen Vorstandsmitglieder und einem Apéro für das Publikum – dazu Stöff Sutter und Udo Krummel mit «Na, wie wär’s mit ‘nem Vers?» – Lesung mit Spontanzeichnungen… Der Anlass beginnt ausnahmsweise schon um 19:00 Uhr.