Musikgenuss aus der «Belle Epoque» in der Kirche St.Ulrich Oberbüren
Konzertzyklus Uzwil – dazu gehören die Gemeinden Oberuzwil, Uzwil und Oberbüren – lud zu einem etwas verspäteten Neujahrskonzert mit fast ausschliesslich französischer Musik aus der berühmten «Belle Epoque» zwischen 1871–1914 ein – mancherorts liest man auch «1895–1918» -, wobei die Übergänge zu andern Musikstilen in dieser Zeit recht fliessend sind. Als Untertitel hatte der Konzertzyklus-Vorstand «Feine Musik» eingefügt. Und feine Musik durfte das atemlos zuhörende Publikum auch wirklich geniessen.
Dank an Sponsoren
Nach der Begrüssung des Publikums stellte Konzertzyklus-Präsident Hanspeter Haltner wie schon im ersten Konzert einzelne Sponsoren vor. Ihm ist es wichtig, diese etwas mehr ins Licht zu rücken. Schliesslich können solche Konzerte auf hohem Niveau nur mit den Abonnementen und Einzeleintritten niemals finanziert werden. War dies am ersten Konzert das Überlassen der Räumlichkeiten durch die dafür zuständigen Institutionen gewesen, so erwähnte er diesmal die drei Gemeinden Oberuzwil, Uzwil und Oberbüren als Unterstützerinnen. Seit zwei Jahren darf auch von der Max und Margrit Heer-Stiftung ein namhafter Betrag entgegengenommen werden. Am Eingang war dazu eine Tafel mit allen unterstützenden Sponsorennamen aufgestellt worden.
Trio Dreiklang
So nennt sich das Trio, bestehend aus Marianne Corazza, Querflöte; Max Oberholzer, Querflöte, sowie Corinne Kappeler, Harfe. Sie haben sich einzig für dieses eine Konzert zusammengefunden. Alle spielen sonst in anderer Zusammensetzung. Ganz kurz vor Konzertbeginn stimmte Corinne Kappeler mit einem Stimmgerät jede einzelne Saite ihres königlichen Instruments, denn gerade Kirchenräume sind im Winter recht tückisch für Saiteninstrumente. Allzu schnell lässt Kälte sie verstimmen. Querflötist Max Oberholzer verriet im persönlichen Gespräch, dass sie ihre Flöten eine Nuance höher stimmen würden, damit die Gleichstimmigkeit nicht gefährdet sei. Querflöten sind eben – genau wie die Harfe – sehr anfällig auf Temperaturunterschiede.
Belle Epoque – geschichtlich eingeordnet
Harfenistin Corinne Kappeler stellte die „Belle Epoque“ vor und und bekannte ihre persönliche Liebe zur Harfe.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte Europa, ganz besonders jedoch Frankreich, eine Zeit von Frieden, Fortschritt und Wohlstand. Architektur, Dichtung, Malerei und Musik beflügelten sich gegenseitig. Im Oberbürer Konzert kamen Werke von Hector Berlioz (1803–1869), Gabriel Fauré (1845–1924), Claude Debussy (1862–1918), Georges Bizet (1838–1875) zum Zug, aber auch solche von eher etwas unbekannteren Namen wie Philippe Gaubert (1897–1941), Christian Joseph Lidarti (1730-1795) oder Jacques Ibert (1890–1962) zur Aufführung.
Nachweihnächtliche Atmosphäre im Kirchenraum
Noch strahlten die Kerzen auf dem mächtigen Christbaum im Altarraum. Auch eine vielfältige Weihnachtskrippenlandschaft fesselte das Auge. Überall schmückten zudem Weihnachtssterne in verschiedenen Rottönen die Szenerie. Und in dieser schönen Umgebung sass Harfenistin Corinne Kappeler an der Harfe, neben ihr standen Max Oberholzer sowie Marianne Corazza, beide mit ihren Querflöten, bereit für ein auf französische Eleganz eingestelltes Konzert. Die drei Musizierenden zeigten alle Facetten ihrer Instrumente.
Mit einer jubelnden Triosonate in D-Dur von Carl Heinrich Graun (1703–1759) eröffnete das Trio das Konzert. Sofort kehrte atemlose Stimmung im Kirchenraum ein. Die jubelnden Töne ergriffen, die Spielfreude war sicht- und hörbar, die Musik sehr gehörfällig. Ganz ohne elektronische Verstärkung durfte hier hochstehende Musik genossen werden.
Harfe, das Instrument der Engel
Die drei Musizierenden zeigten alle Facetten ihrer Instrumente. Die Harfe, vor allem für ihren sphärenhaften Klang bekannt, wurde von Corinne Kappeler mit den Fingern gestrichen, geklopft, gezupft und manchmal gar energisch und düster zu Gehör gebracht. Dazu half auch der Hebel unten an der Harfe, der den Klang der Saiten freier schwingen liess. Immer wieder wurden die vibrierenden Saiten aber auch mit der Handfläche zum Verstummen gebracht. Damit das Publikum nicht unmittelbar nach dem letzten Ton in Applaus ausbreche, hielt die Harfenistin oft die Seiten noch ein paar Augenblicke fest und liess inneren Nachklängen Raum, bevor das Kirchenschiff von Applaus erfüllt wurde.
Die Harfe hat bereits in der Bibel eine herausragende Stellung, wird an Festen, aber auch bei traurigen Anlässen gespielt. Auch in Psalmen wird das Instrument besungen. Es besticht noch heute, erstens durch seine auffällige Grösse, aber auch durch das Spiel der Finger durch die Musizierenden sowie seinen ganz besonderen Klang.
Harfen-Solo
Corinne Kappeler spielte sich in der «Arabesque Nr. 1» von Claude Debussy durch perlende Läufe, akzentuiert herausgehobene einzelne Töne und durch teilweise eher düstere Passagen, die jedoch heitere nachfolgende Stücke wieder aufhellten. Als Laie stellt man sich das ziemlich herausfordernd vor: Auf die Noten schauen, immer die richtigen Saiten treffen, dabei mit beiden Händen zugreifen und dazu noch auf unterschiedliche Weise mit den Fingern eine Melodie entwickeln. Umso mehr durfte man sich am virtuosen Spiel freuen.
Tanzbares Stück
Als fünftes Stück hatten sich das Trio eine Trio-Sonate in G-Dur ausgesucht, komponiert von Christian Joseph Lidarti, der noch vor der Zeit der Belle Epoque gelebt hatte, nämlich von 1730–1795. Hie und da war hier eine Art Echowirkung festzustellen, gab doch ein Instrument ein Thema vor, welches die anderen Mitspieler aufnahmen, manchmal auch wieder zurückgaben. Fast bekam man Lust, zur Musik zu tanzen. Besonders «Tempo di Minuetto» verleitete zu inneren Bildern von Adeligen, welche in ihren grossen Ballsälen nach ganz klaren Schrittvorgaben und in edelster Kleidung ihrem Tanzvergnügen frönten. Französische Lebensart eben!
Viel Abwechslung
Das «Divertissement grec» des Komponisten und Flötisten Philippe Gaubert bestach durch ein sehr stimmiges Legato der Flöten. Die Melodie liess an eine Art Tanz über dem Wasser denken, durch die perlenden Läufe der Harfe noch unterstrichen. Für das Stück «Deux Intérludes» von Jacques Ibert faltete die Harfenistin erstmal ein ellenlanges, zusammengeklebtes Notenblatt auf. Diese «Zwischenspiele» begannen mit einem richtigen Trommelfeuer auf diesem Instrument.
Begeistertes Publikum
Die sichtlich bewegte Zuhörerschaft spendete einen derart stürmischen, langanhaltenden Schlussapplaus, dass das Trio sich zu einer Zugabe bewegen liess. Mit dem Intermezzo aus der Carmen Suite Nr. 1 bedankten sich die drei Musizierenden für die hingebungsvolle Stille während des Konzerts und den Applaus.
Und wie im Neujahrskonzert des Wiener Musikvereins jeweils «Prosit Neujahr» gewünscht wird, tat das Max Oberholzer in ähnlicher Weise auch in Oberbüren. Nochmals brandete Applaus auf, bevor sich die beglückten Zuhörerinnen und Zuhörer auf den kalten Heimweg machten.
Hier kann das ganze Konzertprogramm heruntergeladen werden.