Nicht alles nur Blech…
Nein, auch Holz hatte am dritten Konzert des Konzertzyklus Uzwil seinen grossen Auftritt. Die Marimba braucht allerdings Platz, was man beim Konzertbesuch der St.Sebastian-Kirche in Henau persönlich feststellen konnte. Das auf Rädern stehende, wirklich imposante Instrument belegte mehr als den Mittelgang vorne in der Kirche.
Konzertzyklus Uzwil (konzertzyklus-uzwil.ch)
Doch der Reihe nach...
Das Motto des Konzerts hiess «Ensemble Zephir – Kammermusik in Blech». Die Formation war bereits 2010 und 2015 beim Konzertzyklus Uzwil zu Gast gewesen, wie Vorstandsmitglied Erika Helg in ihren Begrüssungsworten sagte. Zu Beginn standen die verschiedensten Blechblasinstrumente vorne im Chorraum golden glänzend und schön aufgereiht bereit. Das Ensemble hat einen guten internationalen Ruf und ausserdem einen Bezug zur Region Uzwil, unterrichtet doch der vielseitige «Blechblaskünstler» Patrik Arnold an den Musikschulen Oberuzwil-Jonschwil, Uzwil und Thurland.
- 1. Erika Helg vom Vorstand des Konzertzyklus begrüsste das interessierte Publikum.
- 2. Patrik Arnold plauderte etwas aus dem musikalischen Nähkästchen.
Leider konnte Ensemble-Mitglied Patrick Lorbach aus gesundheitlichen Gründen nicht mitspielen. Und so musste innert vier Tagen ein Ersatz gesucht werden, der zudem ganz kurzfristig mit dem Repertoire vertraut werden musste. Glücklicherweise kennt man sich in Musikerkreisen. Thomas Roth aus Kreuzlingen vertrat denn auch den kranken Musiker mustergültig. Roth ist ebenfalls Berufsmusiker und spielt im Ensemble «unglaublech» und unzähligen anderen Formationen. Unglaublech
von links – Georg Birner, Thomas Roth, Michael Feldner, Patrik Arnold, Markus Burger, etwas versteckt Christina Schauer an der Tube sowie Christoph Indrist, Perkussion und Marimba. Alle Blechbläser spielen auf verschiedenen Instrumenten dieses Genres.
Alle Mitglieder des Ensembles haben einen langen musikalischen Ausbildungsweg hinter sich. Genaueres über die vielseitigen Künstler und die Tubaspielerin kann hier nachgelesen werden. Trompetenensemble Zephir
Gang durch die Zeit
Noch vor Konzertbeginn hatte der aufmerksame Musiker Patrik Arnold die Konzertfans in den vorderen Reihen darauf hingewiesen, dass es vermutlich zwischendurch etwas laut werden könnte. Allerdings könne das Ensemble auch sehr dezent spielen. Und so war es. Von leisen, subtilen Passagen bis hin zu volltönendem, ja schmetterndem Blechblasklang war alles zu hören. Das Programm bot eine kleine Zeitreise vom 17. Jahrhundert bis in die Neuzeit.
Mit der Sonate in B-Dur von Georg Philipp Telemann begann das vielseitige Konzert. Der deutsche Trompeter und Musiklehrer Ingmar Kreibohm hat das Stück für das Ensemble arrangiert. Im zweiten Satz – mit Siciliana überschrieben – begann die Musik verhalten, ja fast zärtlich, um im Allegro dann alle klanglichen Facetten der Blasinstrumente aufglänzen zu lassen. Der Mollschluss blieb noch ein Weilchen im Kirchenraum hängen. Es war äusserst wohltuend, dass die Musizierenden dem Publikum nach jedem Abschluss ein wenig Zeit zum Abschiednehmen vom Gehörten schenkten, bevor der begeisterte Applaus aufbrandete.
Hilfreiche Moderation
Michael Feldner und Patrik Arnold wechselten sich mit erklärenden Hinweisen zu Hintergründen und Besonderheiten der gespielten Werke ab. So war das zweite Stück, eine Pavane von Gabriel Fauré (1845-1924) für Klavier seiner adligen Gönnerin zu schlicht, sie wollte mehr, etwas Grösseres. Für das Ensemble hat Georg Birner jedoch alles wieder etwas kleiner arrangiert. Mehr dazu im folgenden Link. Pavane für Orchester fis-Moll op. 50
Nach den festlichen Pavane-Tönen machte Feldner Lust auf das Marimba-Spiel und spöttelte, dass Christoph Indrist das Piccolo sowie die Trompete eben zu klein und zu billig, die Tuba dagegen zu schwer und zu unpraktisch vorgekommen sei. Da habe er lieber ein Instrument mit den vorne zu sehenden Ausmassen und dem Preis eines Elektro-Autos angeschafft, auch wenn man das stundenlang auf- und wieder abbauen müsse. Auch Feldners Denkaufgabe hatte es in sich. Jede Zuhörerin, jeder Zuhörer solle doch aufmerksam mitzählen, wie viele 11/8-Takte im Werk vorkommen würden. Vermutlich musste der versprochene Preis nicht ausbezahlt werden…
Etwas für «Aug’ und Ohr»
Wahrscheinlich haben nur wenige je live ein Spiel auf dem Marimbafon erlebt. Ruhig und konzentriert entlockte Christoph Indrist dem Instrument ganz besondere Töne. Mit je zwei wirbelnden Schlägeln in jeder Hand spielte er ein von Georg Birner arrangiertes «Concerto für Marimba» von Emmanuel Séjourné (*1961). Man konnte nur staunen, wie «zielsicher» diese Schlägel die Töne trafen. Der warme Holzton des Instruments berührte. Dahinter stecken jahrelanges Training sowie eine ausgefeilte Feinmotorik. Georg Birner hat das Stück für das Ensemble arrangiert. E. Séjourné: Concerto for Marimba and String Orchestra
Bei mehreren Stücken war Indrist zudem hinter dem Schlagwerk rhythmischer Unterstützer der Formation, ohne dabei eine dominante Rolle einzunehmen. Immer wieder wechselten die Musiker ihre Instrumente und auch mehrmals den Standplatz. Zum Einsatz kamen Kornett, Piccolo-Trompete, Trompete , Flügelhorn und Euphonium. Hie und da wurden zudem dämpfende Klangbecher eingesetzt, was entfernt an Jazzmusik erinnerte. Christoph Indrist
Tuba als «Diva»
Im Stück «Konzertante Suite» von Christer Danielson (1942-1989) hatte Musikerin Christina Schauer auf der Tuba ihren grossen Auftritt. Von der Frau selbst sah man nicht viel – zu sehr verdeckte das voluminöse Instrument ihren Kopf -, wohl aber von ihrem Fingerspiel. Der satte, Tiefe gebende Klang dieses majestätischen Instruments mischte sich mit den Melodien der anderen Blasinstrumente zu einem feierlichen, den Raum füllenden Klangerlebnis. Während Tuba-Spieler in einer Dorfmusik sitzend musizieren, stand die Künstlerin die ganze Zeit. Das Instrument hat jedoch ein ziemliches Gewicht. Darum ist ein derart souveränes Spiel nicht nur eine künstlerische, sondern auch eine höchst sportliche Leistung.
Im zweiten Teil des Programms näherten sich die gespielten Stücke immer mehr der jetzigen Zeit. Das melodiöse Liebeslied «Fields of Gould» von Sting (*1951) – später von unzähligen Künstlerinnen und Künstlern gecovert – weckte Erinnerungen an die Neunzigerjahre. Sting – Fields Of Gold Den Abschluss machte das «Trumpet Concerto» des genialen amerikanischen Jazztrompeters und Orchesterleiters Harry James (1916-1983). Hier zeigte Patrik Arnold noch einmal seine Virtuosität, dazu das ganze Spektrum und die verzaubernde Schönheit des Trompetenklangs. Harry James – Concerto For Trumpet
Auf Wikipedia ist das Leben von Harry James nachzulesen – sehr interessant. Harry James
Als Zugabe durfte die begeisterte Zuhörerschaft das choralartige Stück «Dem Himmel sei Dank» geniessen und damit in den Abend gehen, nicht ohne vorher nochmals kräftigen Applaus gespendet zu haben. Dem himmel sei dank
Schlussbild: Zufriedene Gesichter bei den Künstlerinnen und der Künstlerin, bewegte Herzen im Publikum.
Berührende Augenblicke
Ensemble-Mitglied Georg Birner war aus Passau mit seiner Frau Christina Schauer, Tuba-Künstlerin, und seinen beiden Kindern angereist. Was man allerdings nur in den vorderen Reihen sehen konnte: Das jüngere Kind, ein herziges Büblein, versteckte sich zu Beginn längere Zeit hinter seinem Papa, zupfte ihn auch immer mal wieder an den Hosenbeinen, während dieser seelenruhig seine verschiedenen Musikinstrumente wechselte und daraufhin ungerührt weiterspielte. In vorgegebenen kleinen Pausen gab Birner seinem Söhnchen immer mal wieder eine liebevolle Berührung, da sich der Kleine anfänglich nicht getraut hatte, sich zu seiner Schwester und Patrik Arnolds Frau samt Tochter hinzusetzen. Christina Schauer spielte ebenfalls konzentriert und virtuos ihren Part. Ihr wäre es allerdings kaum möglich gewesen, ihr Söhnchen nebst dem Tuba-Spiel, welches alle Kräfte braucht, noch zu betreuen.
Irgendwann wagte der kleine Mann dann doch, sich zu seiner Schwester zu setzen. Mit kleinen Filmchen auf einem elektronischen Medium liess er sich dort danach fesseln. Die beiden Mädchen sassen ihrerseits still und ruhig neben Patrik Arnolds Frau. So lässt sich ein «herumreisendes» Musikerleben doch immer mal wieder mit dem einer Familie gut und sinnvoll vereinbaren, vor allem, wenn man sich gegenseitig unterstützt.