Ökumene – wohin?
1.Ökumenischer Bildungsabend 2008 – Reformierte Sicht
Seit etwa 100 Jahren gibt es überall Bestrebungen, als katholische oder evangelische Kirche aufeinander zuzugehen, Ökumene zu leben. Eine unterschiedliche Auffassung des Begriffs ÖKUMENE lässt dieses Vorhaben noch immer oft an „Mauern in den Köpfen“ anrennen. Doch an der Basis wird Ökumene heute vielerorts gelebt.
Einführung durch Pfarreileiter Rolf Haag
Pfarreileiter Rolf Haag eröffnete den ersten der zwei Bildungsabende. Waren in früheren Jahren eher ethische Themen angesprochen worden, befasst sich das diesjährige Thema mit dem Verhältnis der beiden grossen christlichen Kirchen hier bei uns. Anhand des mehrteiligen Logos der Ökumenischen Bewegung zeigte Rolf Haag auf, dass nur das Ganze christliche Kirche sein könne, es nicht angehe, dass sich ein Teil besser als der andere fühle. Er bedauerte zudem, dass in den heutigen Strukturen der Kirchen kaum Visionen auszumachen seien.
Dr.Ralph Kunz, Professor für Praktische Theologie,
Den Ausführungen des (evangelischen) Theologen Ralph Kunz merkte man den Praxisbezug vom ersten Moment an. Frei und mit anschaulichen Beispielen zeichnete er die Geschichte der Ökumene nach. Diese ist lang und steinig. Es ist noch gar nicht lange her, da ging eine reformierte Familie nicht bei einem katholischen Bäcker einkaufen. Die katholischen Menschen mochten genau so wenig Fleisch vom reformierten Metzger. Alles war exakt nach Konfessionen eingeteilt. So war eine Mischehe noch in den 1960-er Jahren kaum denkbar, zog meist den Ausschluss aus der Gemeinschaft nach sich, falls sich doch Zwei aus unterschiedlichen Konfessionen zusammenfanden.
Während sich in den Städten schon in den 50-er Jahren Auflösungserscheinungen beim starren Konfessionsgefüge machten, blieb dieses auf dem Lande noch deutlich länger bestehen. Heute haben Zuzüger in vielen einstmals konfessionell geschlossenen Gemeinden kaum mehr einen Bezug zu kirchlichem Leben. So löst sich auch hier die Konfessionsbezogenheit je länger je mehr auf.
Anschauliche Bilder
Mit Karikaturen und Bildern veranschaulichte der Referent das damalige Denken. Für die Reformierten – oder Evangelischen – war der „Jesuit“ der absolute Hauptfeind. Dieser wurde richtiggehend dämonisiert, mit furchtbarer Fratze dargestellt. Er war für alles Böse zuständig und als Handlanger des Vatikans verschrien. Und die Katholischen fanden, dem „Pfaff“ müsse es an den Kragen gehen. Diese sogenannten Pfäffli (Bäffli, zwei weisse Schleifchen als Kragen auf dem schwarzen Talar) zeigten Amt und Würde eines Pfarrers an. Die Zeitepoche der Aufklärung (17./18. Jahrhundert) verlangte, dass Autoritäten zu den „Gewöhnlichen heruntersteigen“, also von ihren Privilegien Abschied nehmen müssten. Gottfried Keller, Staatsschreiber des – reformierten – Zürich schrieb ein Hetzgedicht gegen die Jesuiten, hasserfüllt und ungerecht.
Unterschiede zwischen „oben“ und „unten“
Viele Gläubige fragen sich, warum es bei den Kirchenoberen noch immer derart viele Streitpunkte gibt, wenn sich doch die Basis längst untereinander arrangiert hat. Ja, mehr als das, die Basis hat gelernt, miteinander zu feiern. Die katholische Seite hat da eine viel längere Tradition, auch viel mehr haltgebende Rituale als die evangelische. Laut Ralph Kunz hat sich seit dem 2.Vatikanischen Konzil die Katholische Kirche eher der Reformierten angenähert, als dies umgekehrt der Fall ist. Neue Bestrebungen des Papstes, wieder die lateinische Messe einzuführen, fussen auf der Angst, zu sehr vom eigenen Weg abzukommen. Andrerseits war noch vor wenigen Jahren das Anzünden einer Kerze im evangelischen Gottesdienst verpönt, weil „katholisch“! Die Gemeindeglieder wehrten sich auch gegen das lautgesprochene Gebet des Unser Vaters, welches heute in kaum einem Gottesdienst mehr fehlt.
Der Referent erklärte, die – geweihten – katholischen Kirchenmänner sähen sich in direktem Kontakt zu Gott. Nach katholischem Verständnis kann nur eine Kirche mit geweihten Priestern vollgültig sein. Die Kirche verwaltet das Mysterium des Glaubens. Sie führt dies auf den Apostel Petrus zurück.
Luther habe aber seinerzeit „den Stecker herausgezogen“ und so seine Kirche ohne gültige Verbindung zu Gott gelassen. Ralph Kunz rief dazu auf, eucharistische Gastfreundschaft zu üben. So sollten reformierte Gläubige doch auch zur Kommunion gehen, wenn sie einen katholischen Gottesdienst besuchten. Umgekehrt seien in reformierten Kirchen alle Menschen zum Abendmahl eingeladen, ungeachtet ihrer Konfession oder ihrer Lebenssituation. Das sei für viele Mischehen heute eine gute Art, sich auf beiden Seiten willkommen zu fühlen. Katholisch heisse eigentlich „evangelisch und römisch“.
Unterschiede im öffentlichen Erscheinungsbild
Während für einen katholischen Menschen der Papst eine sichtbare Autoritäts- und Identifikationsperson ist, fehlt diese den Reformierten völlig. Es gibt überhaupt wenig sichtbare Zeichen – die reformierte Kirche zeigt sich recht profillos. Ihre Gottesdienstfeiern sind meist recht nüchtern, ihre Spiritualität eher spröde und als Volkskirche haben sie zwar viele Mitglieder, aber leider auch viele, die nicht aktiv mitmachen. Ihre Mitglieder wollen „selber denken“ – wie eine Plakataktion der Reformierten Kirche das kürzlich sichtbar ausdrückte.
Fragestunde: Einbezug der Basis
Hier zeigte sich deutlich, dass Ökumene an der Basis gelebt wird. Im Hinblick auf die zahlreichen Mischehen ist das ein hoffnungsvolles Zeichen. Auch der interkonfessionelle Religionsunterricht wird die noch immer bestehenden Barrieren in den Köpfen weiter aufweichen. Weil in der Schweiz demokratische Strukturen zum Alltag gehören, hat auch die katholische Kirche hierzulande eine Sonderstellung. Das ist vielen konservativen Kreisen in der römischen Kirche ein Dorn im Auge. So geht hierzulande das Geld nicht direkt zum Bischof, sondern zu den Gemeinden an der Basis. In Oberuzwil pflegen beide Kirchgemeinden einen freundschaftlichen Umgang miteinander. Es gibt ganz unterschiedliche gemeinsame Anlässe, die meist sehr gut besucht sind.