Oktober-Seniorennachmittag in Oberuzwil mit dem Senioren-Orchester St.Gallen
«Man hört nicht auf Musik zu machen, weil man älter wird, sondern man wird älter, wenn man aufhört Musik zu machen!»
So steht es auf der Webseite des Senioren Orchesters St.Gallen. Und die Mitglieder dieses Orchesters zeigten am Seniorennachmittag, dass dies auch stimmt. Im Kirchgemeindehaus Oberuzwil waren die Tische für den erwarteten musikalischen Hochgenuss jedenfalls zum grössten Teil besetzt. Dafür hatte das initiative Vorbereitungsteam mit Ansprechperson Margrit Hürlemann von Mesmer Michi Forrer sehr viele Tische aufstellen lassen. Schon beim Eintritt in den Saal fiel auf, dass sich das Geschehen diesmal auf der Nordseite des grossen Raums befand. Interimsdirigent Markus Schai war schon im Vorfeld vorbeigekommen und hatte den Platzbedarf für das Orchester ausgelotet. So eine Bassgeige oder auch ein Cello braucht eben etwas Raum.
Seniorennachmittage
Seit mehreren Jahren werden die Nachmittage ökumenisch organisiert. Jeweils am zweiten Dienstag im Monat – von Oktober bis Juni – bietet das Team, welches aus lauter Frauen besteht, einen Unterhaltungsnachmittag für Senioren an. Auch ein Fahrdienst ist organisiert. Dafür hat sich erfreulicherweise ein Mann bereiterklärt. So können auch Personen die Nachmittage besuchen, die nicht mehr so mobil sind. Die Angebote sind äusserst vielseitig. Vieles hat mit Musik zu tun. Vor einigen Jahren wurde dieses Angebot aus dem Frauenverein herausgenommen und von da an auf selbständiger Basis geplant, immer unterstützt von den beiden Kirchgemeinden, die dazu auch ihre Räume zur Verfügung stellen. Damit wird vielen älteren Menschen Freude und Abwechslung in ihren oft etwas eintönigeren Alltag geschenkt.
Vielseitiges Programm
Markus Schai ist eigentlich Trompeter im Seniorenorchester. Weil aber der langjährige Dirigent kürzlich zurückgetreten ist, sprang der versierte Mann, der sich in vielen Musikstilen auskennt, interimsweise ein. Er spielt aber weiterhin Trompete in der Black Jacket Swing Big Band. Er arrangierte zudem die vorgetragenen Stücke exakt auf die instrumentalen Möglichkeiten des Ensembles. Das Konzert begann mit einem Fanfarenstück «La fanfare du printemps» von Abbé Bovet. Auch die Moderation übernahm Schai persönlich. So erfuhr man allerlei Wissenswertes rund um die einzelnen Musikstücke. Wer hat nicht in der Schule schon «La-haut sur la montagne» gesungen, von Abbé Bovet komponiert?
Das Motto stand unter dem Motto: Eine geografische Reise. Und so erklang bereits als zweites Stück die Ouvertüre zu »Klingende Geografie» von Georg Philipp Thelemann (1681–1767). Das ganze Stück hätte eben fast eine Stunde gedauert.
In Venedig machte das Orchester ebenfalls Halt. «Barcarole» von Jacques Offenbach (1819–1880) ist ein weltbekanntes Stück, so richtig zum Mitschwelgen, schon fast vom ersten Ton an erkennbar. Hier waren in kurzen Sequenzen auch einmal die einzelnen Register zu hören, sogar der Mann am Flügel bekam ein paar Takte uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Markus Schai wies vorgängig auf die wogenden Wellen hin, die diesem Stück das Gepräge gäben, auch den rudernden Gondolieri – hier rudere allerdings nur einer, nämlich er. Mit klaren Gesten führte er denn auch das Orchester durch das Programm.
Auch volkstümliche Klänge
Mit dem Doppelstück «Hohegg – Vechschau» entführte das Orchester die begeisterten Frauen und Männer nach Gais auf die «Hohegg», einen Aussichtspunkt, der früher Sehnsuchtsort aller Gääser Schulkinder war, verhiess doch die dortige Schweizerfahne jeweils Schulreisegenuss! Die Viehschau ihrerseits hat bis heute nichts von ihrem Reiz verloren und zieht noch immer viel Volk an. Die Musik dazu war denn auch «schlärzig», wie man im Appenzellerland das nennt, lüpfig und wohlklingend, mit dem typischen Schluss einer Streichmusik.
Studentenleben
Richtig ins Schwärmen kam Schai bei der Polka «Prager Studenten» von Antonín Dvořák (1841-1904). Fast hätte man daraus schliessen können, er sei persönlich bei studentischen Abenteuern in Prager Cafés dabei gewesen. Man sah die leichtlebigen Studenten förmlich vor ihrem Bier oder auch Hochprozentigerem sitzen und das Leben geniessen. Auch die Donau, dieser völkerverbindende Fluss, durfte nicht fehlen. Donauwellen von Iosif Ivanovici (1845–1902) wurde zu einer beschwingten Flussfahrt, auch Anklänge an Strauss-Walzer waren zu hören. Selbst Whisky, Kreidefelsen und die Beatles kamen zur Sprache. All dies wurde der Zuhörerschaft in Form eines Stücks aus Schottland serviert. Sir Paul McCarthy schrieb mit Co-Autor Denny Laine das Heimwehlied Mull Of Kintyre für seine Band «The Wings» und sang es auch gleich selber, begleitet von Akustikgitarre und – wie könnte es anders ein – Dudelsackbegleitung. In der Version des Seniorenorchesters ersetzte ein Englischhorn dieses spezielle Instrument. Hier endete die sehnsüchtige Melodie denn auch mit Englischhorn und Celloklängen.
Mit der grossartigen Hymne aus dem Film über Christoph Kolumbus namens Conquest of Paradise schloss das reguläre Programm. In diesem Stück erklangen getreu dem Original anfänglich auch die Stimmen der Männer samt Dirigent. Ganz so mächtig wie im Film konnte das Seniorenorchester natürlich nicht auftrumpfen, aber auch sie füllten den Raum mit ihrer Interpretation. Dafür gab es – wie schon bei jedem Stück vorher – riesigen Applaus. Damit wollte sich aber das Saalpublikum nicht zufriedengeben, sondern verlangte eine Zugabe. Mit Mein Kleiner grüner Kaktus der legendären Comedian Harmonists aus Deutschland schenkte das Orchester den Fans nochmals einen Ohrwurm. Doch noch war nicht genug. «Gut, dann fangen wir einfach noch einmal von vorne an!», meinte Markus Schai. Und so endete das Konzert mit dem gleichen Stück wie zu Beginn.
Weltentdeckung
Danach gab es einen feinen Nussgipfel und Kaffee. Schliesslich sind solche Nachmittage auch ein geselliger Anlass.
Der nächste Seniorennachmittag findet am Dienstag, 14.November 2023 statt. Dann wird Seelsorgerin Ellen Schout eine Lesung anbieten. Auch dieser Anlass findet im Kirchgemeindehaus statt.