Oper über die Geschichte von Nils Holgersson – Teil 2
Nun fliegt Nils Holgersson also erneut über Schweden, diesmal allerdings in musikalischer Form. Am besten ist es, wenn vor dem Lesen dieses Berichtes Teil 1 dieser «Opernstory» durchgelesen wird, da man damit schon einiges über die Vorgeschichte erfährt. «Nils Holgerssons wundersame Reise» als Oper
Wie alles begann
Die ursprünglich als Lehrerin tätige, später weltbekannte schwedische Dichterin und Literaturnobelpreisträgerin Selma Lagerlöf verfasste im Auftrag des schwedischen Volksschullehrerverbandes ein Geografiebuch, das unter dem Namen «Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden» erschien und ganz verschiedene Reaktionen auslöste. Auf Wikipedia kann mehr über diese berühmte Frau erfahren werden. Selma Lagerlöf
2. Reise-Etapp: Erneute Reise durch das faszinierende Schweden
Weil Bernhard Sieber auf seiner ersten Reise durch das ausgedehnte Schweden einen lebensbedrohlichen Infekt erlitten hatte, vermutlich durch einen Mückenstich verursacht, hatte er diese notfallmässig abbrechen müssen. Doch im Juni 2022 nahm er einen zweiten Anlauf und reiste mit den schwedischen Bahnen bis ins hohe Kiruna, die nördlichste Stadt Schwedens.
Ein Interail-Global-Pass vereinfachte die Reise vom tiefsten Süden in Malmö/Skåne bis hinauf in den höchsten Norden nach Kiruna. Diese liegt gut 200 km über dem Polarkreis. Reise nach Kiruna in Schwedisch Lappland Er besuchte unzählige Kirchen und liess sich immer wieder von der Landschaft und der Geschichte des kleinen Nils Holgersson inspirieren. Die ganze Reise samt Reservation von Zügen und Unterkünften hatte er vorab von Oberuzwil aus organisiert. Auf dem Bild die Inlandbana über dem Polarkreis.
Unermüdliche Schaffenskraft
Er knipste viele Fotos. Einige hat er auch für diesen Bericht zur Verfügung gestellt. Notizen machte er unterwegs allerdings kaum. Und immer reiste auch Nils mit auf dieser Reise. Eine kleine Abänderung der Geschichte erlaubte sich der Komponist aber schon. Bei ihm gibt es ein Happy-End zwischen dem Gänsemädchen Åsa und Nils.
Ja, der Oberuzwiler Bernhard Sieber, unterdessen 82 Jahre alt, hat am 23. Oktober 2020 das Werk begonnen, seit 2 ½ Jahren nun eifrig an seiner geplanten Oper über die wundersame Reise von Nils Holgersson gearbeitet, Arien geschrieben und für sich am Klavier im stillen Kämmerlein auch gesungen. Er hat jeden Tag viele Stunden an Klavier und PC verbracht, um seinen grossen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Dabei musste er die schwedische Sprache von Grund auf erlernen, mit Wörterbüchern und Audio-Programmen. Er hat alle Liedtexte auf Schwedisch unter die komponierten Noten gesetzt, sich dabei stark am Lagerlöf-Text orientiert und auch seine vogelkundlichen Kenntnisse in die Instrumentenwahl einfliessen lassen.
Auch mit 82 Jahren noch für einen Gag zu haben: Komponist Bernhard Sieber hoch auf einem mächtigen (Holz-)Elch…
Ungezählte Stunden am Komponieren
Sieber kann nicht beziffern, wie viele Stunden er für dieses Projekt aufgewendet hat. Was er aber weiss: Er hat jeden Tag jeweils vormittags am Keyboard mit MIDI-Anschluss gesessen, mit dem Programm Finale 26 gearbeitet und sich in das Innenleben von Nils Holgersson versetzt. Dabei hat ihn vor allem die innere Wandlung des anfänglich faulen, ungebärdigen Bürschchen zu einem verantwortungsvollen, mit offenen Augen für die Nöte seiner Mitmenschen durch die Welt gehenden Menschen sehr berührt. Der christliche Gedanke rund um Versöhnung, Schuld und Reue trieb ihn denn auch jeden Tag von Neuem zum Weitermachen an.
Imposante Zahlen
Tonschöpfer Sieber liess sich vor allem durch die Botschaft, die er aus dieser Geschichte herausgelesen hat, zu dieser Oper inspirieren. Seine Partitur ist 729 Seiten lang. Da er 18 verschiedene Instrumentenstimmen mit genauer Zuordnung zu den einzelnen handelnden Personen und vor allem Tieren eingesetzt hat, braucht natürlich schon allein dies viel Platz. Nils Holgersson wird gar durch zwei verschiedene Stimmlagen vorgestellt. Als Wichtel muss sein Part unbedingt durch eine geschulte Knabenstimme gesungen werden. Doch nach dessen Rückverwandlung als Mensch sollte es auf jeden Fall ein Bariton sein. Die Oper ist auf eine Dauer von 3 ½ Stunden ausgelegt, wohlverstanden OHNE Pause.
Der Klavierauszug samt Singstimmen mit selbstverfasstem schwedisch unterlegtem Text umfasst 446 Seiten. Bernhard Sieber hat unterdessen alles ausgedruckt, auf seinem Stubentisch türmen sich die Notenblätter. Die Art der Musik ist eher fröhlich, volksmusikartig und melodiös. Und doch ist noch nicht gar alles fertig. Die Stimmenauszüge für das Orchester treiben ihn noch ziemlich um. Wer sich mit PC-Programmen auskennt, weiss, dass immer mal wieder etwas schiefgehen kann, obwohl man meint, alles wie immer gemacht zu haben. Und beginnt es zu hapern, sind schnell ein paar Stunden bis zur Wiederherstellung vergangen.
Erfahrener Tonsetzer
Bernhard Sieber hat schon viele Werke bearbeitet, neu komponiert oder auch erweitert. Seine Kompositionsliste darf sich sehen lassen. Auch wenn diese Webseite nicht mehr auf dem allerneuesten Stand ist, zeigt sie doch, dass er kein Anfänger, sondern ein erfahrener Komponist ist. Musinfo: Komponierende – Sieber Bernhard
Am 23. Mai 2015 wurde in der Kreuzkirche Wil eine seiner Tondichtungen unter Leitung von «Hoforganist» Stephan Giger uraufgeführt, die «Sinfonia concertante» für Orgel, Oboe, Streicher Concertino und Streichorchester ripieno (kleines Streichorchester mit Solo-Einsätzen). Ursprünglich als Chaconne komponiert – 1965 -, erweiterte er diese um drei Sätze zu einem viersätzigen Werk und stellte es 2012 fertig. Giger hat sich nun auch die Oper angeschaut und dem Komponisten eine Referenz dafür geschickt.
Stephan Giger schreibt dazu unter anderem:
Ich bin kein Opern-Spezialist, aber ich kann doch feststellen, dass mich nur schon diese Ausschnitte ins Werk hineingenommen haben. Das kindlich-naive, die echten Emotionen, das Drama, welches Nils erlebt, dies alles hat Bernhard Sieber, wie ich meine, mit seiner Musik wunderbar eingefangen!
Ich bin fest überzeugt: Diese Oper hat es unbedingt verdient, inszeniert und aufgeführt zu werden!
Und wann wird das Werk aufgeführt?
Das ist nun die Frage aller Fragen. Der Komponist hat schon auf verschiedene Seiten seine Fühler ausgestreckt, Opernhäuser in Schweden angeschrieben, auch die schwedische Botschaft in Bern. Natürlich möchte er die Uraufführung seines Lebenswerkes erleben dürfen. Bis jetzt haben ihm die Angefragten jedoch noch keine Türen eingerannt. Zwei schwedische Opernhäuser haben abgesagt, Stockholm und Malmö. Auch der schwedische Musikerverband erhielt Post von Bernhard Sieber, genau wie die Schweizer Botschaft in Stockholm.
Sieber schrieb auch Robert Bennesh, den Kirchenmusiker der Domkirche Lund in Skåne im Süden Schwedens an. Dieser zeigte sich interessiert. So sandte ihm Sieber eine Kantate namens «Verkündigung» zu, da dieses Stück vermutlich besser in eine Domkirche passe als eine Oper. Vielleicht darf sich Komponist Bernhard Sieber ja nächstes Jahr über die Aufführung dieses Werkes freuen. Wäre direkt ein Grund, einmal mehr nach Schweden zu reisen.
Bild: Der schwedische „Flickkör“ – Mädchenchor – aus dem südschwedischen Lund begeisterte Musikkenner Sieber.
Nun braucht es Geduld und Durchhaltewillen, bis sich hoffentlich ein Ort finden lässt, an welchem die Geschichte von Nils Holgersson als musikalische Erzählung genossen werden kann.