Quilt nähen als Hoffnungszeichen
Im Augenblick zeigt die Galerie am Gleis Uzwil noch bis am Sonntag, 22.12.2024, Textilkunst aus Bosnien. Diese Ausstellung passt mit ihrer Entstehungsgeschichte wunderbar in die Weihnachtszeit. Den Kontakt dazu vermittelte die Uzwiler Werklehrerin Ingrid Cantieni, die an einem Kurs in St.Arbogast in Vorarlberg die Künstlerin Lucia Lienhard-Giesinger kennengelernt hatte.
Ingrid Cantieni wurde damals auch mit dem Quilt-Projekt bekannt. Als sie im Johanneum in Neu St.Johann im oberen Toggenburg unterrichtete, organisierte sie in Eigenregie eine Quilt-Ausstellung in den Räumen dieser Schule. Die Kunstwerke mit ihren eher verhaltenen Farben müssen auf den Betonwänden eine wunderbare Wirkung entfaltet haben. Lucia Lienhard ihrerseits plante und führte rund 200 Ausstellungen überall im deutschsprachigen Raum durch, um dieses Kunstprojekt bekannt zu machen. Ihr Ehemann unterstützte sie dabei.
Bosnienkrieg 1993
Der Bosnienkrieg hatte viele Menschen vertrieben. So kamen 1993 rund 90’000 Menschen in Österreich unter. Viele traumatisierte Frauen fanden in einer Feldkircher Kaserne, dem späteren Flüchtlingsheim Galina, ein Obdach, allerdings ohne Kontakt zu ihren Angehörigen, die in Bosnien ausgeharrt hatten, sprachlos, verletzt und entwürdigt in ihrem ganzen Sein. Eine Psychotherapeutin suchte nach einer Aufgabe, die den Frauen helfen könnte, ihre Würde und Selbstachtung wiederzufinden. Die Vorarlberger Malerin Lucia Lienhard-Giesinger fühlte sich von diesem Vorhaben angesprochen. Sie überlegte sich Ideen, um den geflüchteten bosnischen Frauen eine sinnvolle Beschäftigung mit Verdienstmöglichkeiten zu bieten.
Hoffnung für die Frauen
Unterdessen sind fast alle Frauen wieder nach Bosnien zurückgekehrt. Stolz sagen sie: Ja, die Bosna Quilts, die machen wir. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es keine Rolle spielt, ob ein grosser oder kleiner Quilt hergestellt wird. Alle Frauen erhalten das gleiche Honorar für ihre Arbeit, ob dies nun ein grosser oder eher kleiner Quilt ist. Was ebenfalls speziell ist: Die Frauen bekommen das Geld immer sofort nach Fertigstellung des Kunstwerks, auch wenn dieses noch nicht verkauft sein sollte. Das Risiko trägt das Atelier in Bregenz.
Jeder Quilt mit eigener Handschrift
Das sind die „Zutaten“, die für jeden Quilt neu zusammengestellt werden. Stoff und Stickgarn werden immer zusammen nach Bosnien geliefert.
Lucia Lienhard-Giesinger meint auch, dass sie jedem Quilt ansieht, welche Frau diesen genäht hat, ohne auf die Namensetikette zu schauen. Jede Quilterin hat ihre eigene Stichführung. Durch die durch die drei Schichten genähten dicken Stickgarne bekommt die Stoffoberfläche je nach Wahl eine ganz eigene Struktur. Oft sieht es wie Meereswellen aus. Man kann aber auch kleine Zierfiguren oder völlig abstrakte Muster entdecken. Die Wandteppiche sind auch auf der Hinterseite sehr schön anzuschauen.
Versöhnung mit der eigenen Geschichte
In diesem Projekt kamen ausserdem zwei Religionen – christliche und muslimische – und zwei Sprachen – Deutsch und Bosnisch – miteinander in Kontakt. Beides klappte auf Anhieb, weil es in den Reihen der Frauen eine gab – und heute noch gibt -, welche beide Sprachen spricht. Es ist also auch ein völkerverbindendes Projekt. Das gibt Hoffnung, dass auch in anderen Konfliktregionen neue Verständigung möglich werden kann.
Dazu einige fachliche Informationen
Das ist die Vorgeschichte dieses nun seit 30 Jahren bestehenden Kunstprojekts: Bosna Quilts sind Kinder des Kriegs. Dazu gibt es auch einen Film, welcher das Projekt Bosna Quilts in Lebensbildern der beteiligten Frauen näher beleuchtet. Der schweizerische Akkordeonvirtuose und Komponist Goran Kovačević mit Wurzeln aus dem Balkan spielt dazu mystische, melancholische Weisen, die aber immer auch wieder eine hoffnungsfrohe Färbung haben.
Über die Ausführung solcher Quilts findet man hier ganz viele Erklärungen. Und wer gerne einen Bosna-Quilt erwerben möchte, kann dies auf einer Ausstellung tun, aber auch im Atelier in Bregenz. Dort werden zudem auch Quilts auf Kundenwünsche hin vorbereitet und in Bosnien genäht.
Öffnungszeiten Ausstellung
Mittwoch 9.00 – 11.00 Uhr
Freitag 16.00 – 18.00 Uhr
Samstag 14.00 – 17.00 Uhr
Sonntag, 22.12.2024 – 14.00 – 17.00 Uhr – letzter Tag – mit Anwesenheit der Projektleiterin Lucia Lienhard-Giesinger