„Süsom givè“ mit LA BANDA D’ADELINA
War eine Woche vorher noch dank SINA der Walliser Dialekt in der Alten Gerbi in Oberuzwil Trumpf gewesen, mit grossem elektronischem Zubehör, so füllten am vergangenen Samstag nun rätoromanische Melodien diesen Raum. Adelina Filli ist eine professionell ausgebildete Musikerin aus Rorschach. Ihre grosse Liebe gilt dem Kontrabass – auch Bassgeige genannt. Sie hat zudem eine fundierte Jazz-Ausbildung absolviert, unterrichtet hie und da auf ihrem Instrument und bewegt sich gerne in Klangräumen. So wirkte sie in den letzten Jahren beispielsweise in verschiedenen Projekten von Musiker und Komponist Peter Roth mit, so etwa bei „Silence – ein Lob der Stille“ oder auch „Requiem für die Lebenden“. Auch in andern Formationen ist sie gerngesehene Kontrabassistin.
Kürzlich hat sie ihre erste CD mit dem Titel „süsom givé“ in St.Gallen eingespielt und in Bergün getauft, mit grossem Erfolg! Auf ihrer Homepage stellt sie sich mit einigen Tonbeispielen selber vor. Homepage Adelina Filli
Adelina Filli hat sich ausgezeichnete Musiker in ihre Band geholt, die auf ihre Klangideen eingehen, ihrem Gesang zusätzliche Farbe geben und dabei auf ihren persönlichen Instrumenten auch eigene Wege gehen können. Am E-Piano spielt Manfred Federer. Er ist Primarlehrer an der Mittelstufe im Kanton Zürich. Er hat aber auch Musik studiert.
Michele Croce kommt aus Italien. Der Mann ist Klarinetten- und Saxofon-Virtuose, unterrichtet an verschiedenen Musikschulen im Hinterthurgau und an der Musikschule Toggenburg. Manchen ist er vielleicht auch aus dem VARIUS-Saxofonquartett bekannt. Michele Croce
Der Schlagzeuger Maurizio Grillo hat ebenfalls italienische Wurzeln. Er kam über das Gitarrespielen zum Schlagzeug und unterrichtet an der Musikschule Toggenburg. Er leitet auch verschiedene Schülerband. Von ihm war einmal zu lesen, dass „Schlagzeug spielen noch fast anstrengender als ist Fussball, man aber viele Freiheiten hat als Schlagzeuger.“ Er hat die Jazzschule St.Gallen absolviert. Und auch er ist immer wieder in andern Formationen tätig.
Eine erdverbundene Künstlerin
Adelina Filli streifte zuerst ihre Schuhe ab. Erdverbundenheit scheint ihr ein Muss zu sein. Davon zeugten auch die grossen, von der Musikerin selber zusammengestellten Bergbilder im Hintergrund der Bühne. „Süsom givè“ heisst eigentlich „zuoberst auf der Berg- oder Hügelkuppe“. So steht es denn auch eine Haltestelle auf dem Ofenpass angeschrieben. Für die Künstlerin selber steht der Begriff für „Rundblick“, „Freiheit“ und „Übersicht“.
Adelina Filli stammt aus Celerina und liebt ihre Muttersprache Putèr. Sie hat verschiedene im Volksmund bekannte romanische Lieder in ihre eigene Klangsprache umgesetzt, aber auch mehrere Eigenkompositionen geschaffen. In einer ihrer sehr persönlichen Zwischen-Erklärungen gestand sie auch, dass sie am liebsten in ihrem ureigenen Dialekt, in „Schlarinais“ singe. Man spürte ihre Liebe zum Gesang in jedem der teils äusserst kurzen Stücke, oft nur in Silbenfolgen beginnend.
Vernetzt mit dem Kontrabass
Schon vor Beginn des Konzerts war Adelina Fillis Liebe zum für Unkundige doch recht sperrig aussehenden Kontrabass gut sichtbar. Mit Hingabe polierte sie den Korpus ihres mächtigen Instruments, um es nicht nur klanglich, sondern auch optisch strahlen zu lassen. Im Konzert selber war ihre ganze Liebe für dieses mächtige Instrument gut zu sehen. Oft schloss sie die Augen, ihre Finger fanden dennoch die richtigen Töne. Sie zupfte – ganz in Jazz-Musiker-Manier – die doch recht dicken Saiten, beugte sich vor, stand neben dem Instrument oder setzte sich auf einen hohen Hocker und umgriff ihre Saiten. Doch auch der grosse Bogen kam zum Einsatz. Sie wirkte zeitweise fast wie eine Dompteuse, die ihrem grossen Klangkörper alles abverlangt – allerdings nicht nur diesem, sondern auch sich selber.
Liebe zur Herkunft
In den Volksliedern aller Länder kommen die alltäglichen Themen vor. Und in allen Kulturen werden Kinderlieder gesungen. Wortspiele, lustige Klangsilben und komische Geschichten bringen Kinder eben zum Lachen. Auch in Adelina Fillis Eigenkompositionen schimmert diese Freude durch. Die weiche Sprachmelodie der Engadiner Rätoromanen klingt ja bereits gesprochen fast wie Musik. So ertönte etwa der Kindervers GIRUMBELLA kraftvoll, fast wie Chilbimusik. Auch die Lautstärke passte dazu. Da hatte eine Katze alle Milch ausgetrunken – Girumbella.
Abwechslungsreiches Programm
Im Konzert klangen die unterschiedlichsten Gefühlslagen an. Da hiess es beispielsweise „sul sulet“ – ganz allein. Pianist Federer schlug dazu sanft eine Handrassel , die Musikerin selber versank in ihren Basstönen, verlor sich im Wald, entdeckte dabei Märchenfiguren. Oder die böse Geschichte vom Teufel, dem der alte Peider begegnete. „ferm tabac“ oder auf Deutsch „Starker Tubak“ entsprach dem Titel voll und ganz. Die Bassgeige wurde in diesem Stück mit wuchtig gezupften Saiten zum Klingen gebracht, Dissonanzen zeigten auf, dass hier Dramatisches geschah. Der Teufel schmeichelte, wollte wissen, was den Peider auf den Schultern trage. „Eine Pfeife!“, war die Antwort, in Wahrheit aber war es ein Gewehr. Da wünschte sich der Teufel einen Atemzug aus dieser „Pfeife“. Und natürlich krachte es kurz darauf gewaltig. „Sapperlot!“ entfuhr es dem Teufel, „das ist jetzt aber starker Tubak!“
Instrumente im Dienste der Gefühlslage
Michele Croce setzte mit Klarinette und Bass-Klarinette je nach Stimmungslage spannende Akzente. Mal flüsterte sein Instrument, trillerte, was das Zeug hielt oder spielte in Klezmer-Manier ganz akzentuiert. Dabei war er immer wieder in Blickkontakt zur Sängerin und Kontrabassistin – eine spürbare musikalische Übereinstimmung. Schlagzeuger Maurizio Grillo war der Band ein einfühlsamer Rhythmusgeber, änderte je nach Liedinhalt Schlagstärke und Instrumentarium und war damit trotz verstecktem Sitzplatz akustisch immer sehr präsent. Auch Manfred Federer passte sich Art und Inhalt der Lieder an, begleitet etwa ein Volkstänzchen ganz wie ein Ländlerkönig, setzte aber im Stück „la damaun“ – der Morgen – perlende Läufe in den Naturbeschrieb eines aufkommenden Morgens.
Das auch in Deutschschweizer Kreisen bekannte und sehr beliebte „dorma bain“ beendete das offizielle Programm. Als Zugabe erklang „lingua materna“, diese inoffizielle Engadinerhymne – eher bekannt als „chara lingua della mamma“ , eine Art Ode an die Muttersprache – und beendete damit ein ganz spezielles Konzert. Hier durften auch die Instrumentalisten noch einmal alle Register ihres Könnens ziehen. Das Publikum spendete herzlichen Applaus und verdankte so diesen ganz besonderen Abend. Längst war es in den Herzen warm geworden. Chara lingua della mamma
Liebenswürdige Atmosphäre
Rein temperaturmässig war es nicht unbedingt sehr gemütlich in der Alten Gerbi an diesem Abend, aber stimmungsmässig war Wärme von Anfang an spürbar. Eine Gruppe rund um Josef und Esther Eugster, dazu zwei liebenswürdige Töchter von Adelina Filli sorgten für das leibliche Wohl der rund fünfzig musikinteressierten Personen. Die warmherzige, natürliche Moderation von Adelina Filli trug das Ihre zu dieser wohltuenden Atmosphäre bei.
Im Konzertzyklus vom 15.12.2019 kann Adelina Filli nochmals in der Gegend gehört werden, sie wird nämlich dort um 17:00 Uhr in der katholischen Kirche Henau in der Band als Kontrabassistin zusammen mit den beiden katholischen Kirchenchören Oberuzwil und Henau unter Leitung von Esther Wild Bislin auftreten. Das ganze Konzert wird eine Woche später nochmals um 18:00 Uhr in der evangelischen Dorfkirche Arosa zu hören sein.