Vergnügliche Lehrstunde mit dem Musikkabarettisten Flurin Caviezel über Falten aller Art…

Vergnügliche Lehrstunde mit dem Musikkabarettisten Flurin Caviezel über Falten aller Art…

4. September 2024 Aus Von Annelies Seelhofer-Brunner

Einmal mehr lud die Donnerstagsgesellschaft Oberuzwil zu einem begeisternden kulturellen Anlass ein, diesmal mit dem mehrfach ausgezeichneten Churer Musik-Kabarettisten Flurin Caviezel.

Mit grosser Vorfreude begrüsste Ellen Schout Grünenfelder, Patin dieses Anlasses, die rund hundert Gäste.

Auf der Bühne war noch wenig zu sehen, ein Gestell mit einigen Instrumenten, dazu ein grosser roter Instrumentenkoffer, wie es schien. Und schon erschien hinter dem schwarzen Vorhang der erwartete Künstler. Sein Tenü: Roter Pullover, roter Gurt, rote, auf Hochglanz getrimmte Schuhe. Dazu belegte ein ellenlanges rotes Faltensofa den grössten Teil der Bühne. Die Farben Rot und Schwarz zogen sich denn auch durch das ganze Programm. Dass Caviezel dieses Sofa später in einen simplen roten Hocker verwandelte, gehörte zu seinem kreativen Umgang mit dem Abendthema. Auf einem Gestell waren ein paar kleinere und grössere «Örgeli» zu entdecken, deren Herkunft und persönlichen Bezug er nach und nach erläuterte.

Musikalische Herkunft

Der Abend begann mit einer Geografiestunde zu Untertoggenburg und Oberuzwil. Auch die vielen Ortsnamen mit «WIL» schienen ihn zu faszinieren. Doch bald kam er auf das Thema des Abends. «Falten, Falten, Falten – überall Falten! Nur leider sieht man die erst, wenn sie schon da sind!» Und schon erzählte er über seine musikalische Herkunft. Da sein Grossvater ein «Handörgeler» mit regelmässigen Auftritten von Freitag bis Sonntag gewesen sei, er zudem die Gage jeweils schon vor dem Heimkommen «verputzt» hätte, habe seine Grossmutter ihren Söhnen strikt verboten, ein Instrument zu spielen. Doch in der nächsten Generation schlug dieses Gen wieder durch. Jetzt pfiff der Vater seinem Nachwuchs Melodien vor, dieser spielte sie nach. Irgendein «Örgeli» war von da an immer mit von der Partie.

Lehrstunde

Der Mann hätte es gar nicht erwähnen müssen, dass er vor Urzeiten einmal Lehrer gewesen sei. So ganz beiläufig, ja fast etwas verschämt flocht er das irgendwann im Programm ein. Allerdings war das recht offensichtlich, denn welche Berufsgruppe sonst macht sich so viele Gedanken zu einem simplen Wort wie «Falten»? Caviezel hat das mit vielen neuen Verknüpfungen für die unwissende Menschheit unternommen, führte es aber auch mit seinen fast unzähligen kleinen und grossen Instrumenten mit Blasbalg vor.

Schweizer Politik, auf einfache Art erklärt

So erklärte er anhand eines seiner vielen Instrumente punktgenau die verschiedenen Aufbau-Ebenen unseres Staates. Da wären erst die Gemeinden – rechts auf dem Akkordeon. Oder war es möglicherweise links? Die Kantone hätten ebenfalls ihre Knopfreihe. Da gebe es manchmal Dissonanzen – so etwa zwischen Zürich und Basel – was er mit einer Art Katzenmusik vorführte. Und mit dem Ausziehen des faltenreichen Blasbalgs zeigte er – ohne Ton! -, wie viel Luft da vorhanden sei, welche die Medien über das Staatswesen verbreiten würden. Vielleicht sollte der Bund mal bei Caviezel anklopfen, wenn es gilt, die Schweizer Politik verständlich zu erklären.

Botox und andere Anti-Aging-Programme

Er zeigte auch anhand eines seiner Instrumente, wie Botox wirke. Weil sich die Muskeln nicht mehr entspannen können, bleibt eine künstliche Glätte zurück. Natürlich stellte er dieses Nervengift mit dem lateinischen Namen vor, hat ja schliesslich studiert – und die Zuhörerschaft wieder etwas gelernt. Man kann aber auch einen Löffel auf der Innenseite der Wangen auf- und ab bewegen und damit Falten vorbeugen, wie er gestenreich vorführte. Ob’s allerdings nützt?

Heldengeschichten

Glücklicherweise gab es keinen Unfall, als er ein genaustens gefaltetes Papierflügerli durch die Zuschauerreihen fliegen liess. Dessen Nase erinnerte etwas an die unterdessen «ausgestorbenen» Mirage-Flugzeuge der Schweizer Armee. Und als er ein Musikstück «eines namhaften Komponisten» intonierte, war augenblicklich klar, dass hier «ein Männlein steht im Walde ganz still und stumm» zu hören sei, denn etliche im Saal sangen sofort mit.

Caviezel berichtete auch über seine Helden, die «Dreifaltigkeit» des Schwyzerörgelispiels. Der unvergessliche Bündner Musiker Peter Zinsli, Josias Jenny sowie der Muotathaler Rees Gwerder gehörten da dazu. Sein Vater mochte das Schwyzerörgeli allerdings nicht.

Unterengadiner Seele

Wer an diesem Abend dabei war, hat auch Einblick in die Unterengadiner Seele bekommen. Da gibt es das Unterengadiner Fenster, eine geologische Besonderheit. Mit dem roten Faltensofa erklärte er dem gespannten Publikum die Alpenfaltung. Hier drückt das Urmittelmeer auf die tektonischen Platten. Und hier gibt es auch reiche Mineralwasservorkommen, denn durch die Jahrhunderte sickerte das Wasser ganz tief durch die aufgerichteten Felsadern. Caviezel konnte es sich nicht verkneifen, das Wort «Unter» speziell zu betonen, denn die Oberengadiner müssten das nicht auch noch für sich beanspruchen…

Gemeinsamkeiten zwischen dem Unterengadin und Island

Offenbar sind die Unterengadiner auch mit der isländischen Bevölkerung verwandt. Beide können sehr schweigsam sein – siehe Unterengadiner Skandal. Und dann die Vulkane! Da bekomme er immer heiss, wenn er davon erzähle. Was ihn bewog, den roten Pullover – war an diesem heissen Abend fast eher eine Schikane! – auszuziehen und der verblüfften Zuhörerschar dessen problemlose Zusammenfaltung vorzudemonstrieren. Braucht nur das richtige Faltinstrument…

Adam und Eva – aus Caviezels Warte gesehen

Auch aus dem Paradies plauderte Caviezel Geheimnisse aus. Er machte das auf musikalische Weise, mit bayerischem und tirolerischem Anstrich, lüpfig und virtuos. Adam fand es schon bald öde, so allein im Garten Eden zu sein. Er bat deshalb Gott um Gesellschaft. Und – wie es so schön heisst – «er schuf Eva aus einer Rippe Adams.» Dem gefiel die neue Gefährtin, doch schon bald wollte er mehr. «Schneid mir alle Rippen raus!», bat er. Doch – oha!.- das war dann doch zu viel für einen einzelnen Mann. Die Geschichte endete mit einem Flehen: «O, setz mir lieber meine Rippen wieder ein!»

Strassenmusiker

Der Mann machte auch einmal eine lange Velo-Strassenmusikantenreise – ganz oben von Kanada bis zur mexikanischen Grenze, mit x Satteltaschen rund ums Velo, mit – laut eigenen Angaben – Fr. 100.00 im Portemonnaie und drei kleinen Örgeli. Wie oft er da unterwegs seine Pneus flicken musste, verriet er nicht. Jedenfalls sei seine Abwesenheit für seine Frau ein grosses Geschenk gewesen…

Auch in Frankreich war er unterwegs. In einer kleinen musikalischen Pantomime führte er vor, wie er jeweils die Zuhörerschaft begrüsst habe. Und sein Nicken als Dank für das Münz im Hut nahm alle mit auf diese Reise. Dass da ausgerechnet einmal einer aus Pontresina zuhörte, sich dann aber von einem Entgelt drückte, fand er typisch für diese überheblichen Oberengadiner… Auf einem Musette-Akkordeon spielte er Sous le ciel de Paris, eine auch hierzulande bekannte Melodie.

Ganz herzig war, wie er auf der Suche nach einem kleinen Notenständer – der mache sich einfach gut, auch wenn er ihn nicht brauche – in einer Spenglerei auflief. Schliesslich fand er in Zürich eine sinnvolle Antwort. Denn auf seinen Reisen mussten alle Geräte in die Seitentaschen passen, auch ein Notenständerli..

Grosse InstrumentenvielFALT

Er war mehrmals im Ausland unterwegs, in Italien fehle ihm nur noch Kalabrien. Da musste selbstverständlich ein italienisches Lied her. «Organetto dalle Abruzzi » nennt sich das dazu passende Instrument. Die Vielfalt an Instrumenten mit Falten war unglaublich. Als man dachte, jetzt hätte er dann sein Pulver wohl verschossen, zauberte er ein weiteres Gestell hinter dem Vorhang hervor, entfaltete es und legte da weitere Instrumente auf. Irgendwann leuchtete plötzlich ein kleines Örgeli oben auf einem der Gestelle auf.

Auf einem Cajun-Akkordeon brachte er ein traditionelles Lied in von Englisch durchzogenem Französisch dar, etwas wehmütig und sehr klangvoll. Er stellte auch ein Bandoneon vor, welches er in Übersee entdeckt hatte. Weil es ihm so gefiel, kaufte er es und liess es in die Schweiz senden. Erst zuhause las er «Band» und «Made in Germany». Und tatsächlich kommt das gemeinhin aus dem argentinischen Tango bekannte Instrument ursprünglich aus Deutschland. Es ist einfach nicht immer so, wie man etwas zu wissen glaubt…

Trinkfreuden

Auch das Trinken gehört manchmal zur Musik. Darum gebe es in Irland immer zu Beginn und Ende eines Stückes einen Tusch, damit auch die Betrunkenen in den Pubs mitbekämen, wann Anfang und wann Ende eines Stückes sei. Auch auf einer Balkan-Veloreise – diesmal mit Navi am Lenker und 100.00 Franken, im Sack, aber zur Sicherheit doch auch mit Kreditkarte in der Brusttasche – gab es mehr als genug an Hochprozentigem. Diese Schilderungen wurden immer mit einem gefälligen «Stückli» zu Gehör gebracht. Erstaunlich auch, dass in einem Wienerlied gleich in der ersten Strophe gestorben wird, denn sonst ist es doch üblich, dass das zum Schluss kommt.

Beruhigungs-Instrument

Hochstehende Unterhaltung

Fast zwei Stunden lang spielte und erzählte er – «Kurliges» und Amüsantes, Lehrreiches und Fantastisches. Und das, ohne je einen Schluck zu trinken, obwohl das immer wieder Thema gewesen war. Und das immer wieder auf anderen Instrumenten, natürlich immer auf solchen mit Falten und Blasbalg. Und als man immer noch rätselte, ob es wohl in jenem grossen roten Etui noch ein grösseres Akkordeon gebe, verblüffte er alle mit einem rot-schwarzen Klappvelo, welches er publikumswirksam entfaltete und danach aus dessen Flicktäschli ein weiteres, winzig kleines Örgeli hervorzauberte.

Damit gab er leidenschaftlich «Mues i denn zum Städtele hinaus» – von Elvis Presley unsterblich gemacht – als Zugabe zum Besten. Und per Velo machte er den Abgang durch den Vorhang hinter die Bühne. Auch der ihn dabei begleitende Applaus war leidenschaftlich. Mit einem Lächeln im Gesicht verabschiedeten sich Besucherinnen und Besucher. Solch abwechslungsreiche, hochstehende Unterhaltung lässt man sich eben gerne gefallen.

Nächster Anlass der Donnerstag-Gesellschaft: Hackbrett meets Boogie-Woogie

Mit Nicolas Senn, Hackbrett und Elias Bernet – E-Piano

Donnerstag, 14. November 2024, 20:00 Uhr, evangelische Kirche Oberuzwil

Für Mitglieder gratis, Nichtmitglieder bezahlen Fr. 20.00