Was der Mensch von Eseln lernen kann
Der Frauenverein Uzwil lädt Jahr für Jahr zu einem besinnlichen und dennoch unterhaltsamen Adventsfeierabend ein. Diesmal waren die Wetterverhältnisse eher garstig, waren doch viele Strassen und Wege recht rutschig. Das hielt aber viele Frauen nicht von einem Besuch des Anlasses ab.
Im wie immer wunderschön dekorierten Saal fiel sofort die Krippenlandschaft am Bühnenrand auf. Jolanda Würth aus dem Vorstand hatte von einer Bekannten wunderschön angefertigte Krippenfiguren ausleihen können. Damit inszenierte sie eine biblische Landschaft, die zum Staunen anregte.
Darstellung der Szenen rund um Weihnachten
Schon im Hoch- und Spätmittelalter hatte es solche Weihnachtskrippen gegeben. Doch als Krippe im heute verstandenen Sinn wurde erst 1562 in Prag eine erste solche Krippenlandschaft von Jesuiten aufgebaut. Auch wenn in der biblischen Weihnachtsgeschichte weder bei Lukas noch bei Matthäus Ochs und Esel erwähnt werden, kommt heute doch kaum eine Weihnachtskrippe ohne diese Tiere aus. Man sagte beispielsweise, der Esel solle bereitstehen für die Flucht der Heiligen Familie. Denn Königs Herodes hatte gedroht, alle Knaben des Reichs unter zwei Jahren zu töten, damit kein anderer «König» in seinem Reich aufwachsen könne. Da blieb Josef und Maria nichts anderes übrig als zu fliehen. Ochs und Esel waren damals nebst Schafen ganz wichtige Tiere und unersetzlich bei der Feldarbeit.
Keltische Harfe und Querflöte
Zwischen den einzelnen Geschichten spielten zwei junge Frauen irisch anmutende Musik. Michelle Falk spielte auf der Querflöte, ihre Kollegin Milena Hofmann auf der Keltischen Harfe. Dieses Instrument sieht man in unseren Gefilden eher selten. Mit The First Noël begannen sie die musikalische Bereicherung des Anlasses. Nach jeder Geschichte verwöhnten sie die Frauen erneut mit himmlischen Klängen. Die Harfenspielerin entlockte ihrem doch etwas grösseren Instrument perlende Klangkaskaden, die vom warmen Ton der Querflöte umspielt und damit verdichtet wurden. Es war eine Freude, den beiden jungen Spielerinnen zuzuschauen und zuzuhören. Marianne Pessina verdankte diesen Genuss am Schluss des offiziellen Teils denn auch mit warmen Worten. Auch ihrem Ehemann Daniel Pessina dankte sie, für seine zuverlässige technische Unterstützung, des Weiteren all ihren Kolleginnen im Vorstand und darüber hinaus.
Hell und herzerwärmend erklangen die ausgewählten Stücke der beiden Instrumentalistinnen.
Michelle Falk, Querflöte
Milena Hofmann, Keltische Harfe
Geschichten zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken
Esther Ferrari lebt seit vielen Jahren in Urnäsch und ist eine sehr gute Beobachterin ihres Umfelds. Sie versteht es, kleine Abweichungen vom «Normalen» in unterhaltsamen Geschichten aufzuzeigen. Vorstandsfrau Marianne Pessina, eine versierte Erzählerin, hatte aus diesem Fundus drei kleine Geschichten ausgelesen. Erst musste sie allerdings dem Mikrofon flattieren, damit dieses seinen Dienst wirklich versah. Schliesslich hiess die Devise: «Ja nicht mehr abstellen!»
In der ersten Geschichte wollte Simon, ein junger Kerl, lieber nicht Jahr für Jahr ans Adventsessen zu seiner Tante Alice kommen. Deshalb erfand er ständig neue Ausreden, die er dank Photoshop auch bebildert an die Tante senden konnte. Meist passierte ihm ein Missgeschick auf dem Weg dorthin. So entdeckte sie einmal auf ihrem Smartphone ein Auto voller Rauch, kaum mehr zu erkennen. Kein Wunder, konnte da der Neffe nicht kommen! Doch als er dann irgendwann später doch Lust auf ein Essen bei ihr hatte, entdeckte er seinerseits ein WhatsApp mit einem Bild voller Rauch. «Die Feuerwehr ist noch hier!», schrieb seine Tante, «darum gibt es kein Essen heute!» Man unterschätze deshalb nie eine Tante. Irgendwann weiss auch sie, wie man Bilder bearbeitet…
Die zweite Episode gab Anlass zum Schmunzeln. Gabriel, ein Erstklässler, war bei seiner Grossmutter zu Besuch. Auf die Frage nach einem Weihnachtswunsch kam wie aus der Pistole geschossen: «Ein Rasierapparat!» Auf Nachfrage kam «Rasierschaum, Bartstoppeln», interessante Wünsche für so einen Buben. Er wollte halt einfach ganz schnell gross und stark, sprich «ein Mann» werden. Als die Grossmutter mit ihm abends im Bett später beten wollte, war er gar nicht einverstanden. «Mit dem da oben will ich nicht reden», beschied er der verdutzten Grossmutter. «Wenn der mich sieht, muss ich sterben!» Im anschliessenden klärenden Gespräch fand die Grossmutter schliesslich heraus, was den Buben plagte. Er hatte das Kindergebet «Lieber Heiland komm, mach mich fromm, dass ich zu dir in den Himmel komm!» wörtlich genommen. Es brauchte grad ein Weilchen, bis ihm seine Grossmutter die Angst nehmen konnte, nach diesem Gebet nicht gleich sterben zu müssen.
Die dritte Geschichte drehte sich um einen pingeligen Hausverwalter, der nichts, aber auch gar nichts in den Hausgängen herumstehen sehen wollte und sich damit nicht unbedingt beliebt machte. Als er aber das hübsche Adventskränzlein bei Emmi an ihrer Wohnungstüre entdeckte, überspannte er den Bogen. Er nahm es nämlich weg und warf es fort. Doch der Verwalter hatte die Rechnung ohne die Wirtin, eine Alt-68-erin, gemacht. Mit den Mitbewohnern im Haus dekorierte sie den ganzen Hausgang mit lauter Weihnachtssachen, im Quartierladen gekauft. Grosse Äste wurden ausgelegt. Dummerweise war mit einem der Äste auch eine blinde Passagierin mitgereist, ausgerechnet eine trächtige Maus. So dauerte es nicht lange, bis es überall piepste. Darum wurde auch vieles wieder abgeräumt. Doch – Ende gut, alles gut: Der Hausverwalter hängte später verschämt ein neues Kränzchen an Emmis Türe.
Was wir von Eseln lernen können
1986 erschien vom Schweizer Autor Max Bolliger das Büchlein DIE BEIDEN WEIHNACHTSESEL, eine Art Fabel, die zum Nachdenken anregt. Die Bilder dazu malte Beatrix Schären. Auf der Leinwand hinten auf der Bühne konnten fortlaufend die Bilder bestaunt werden, welche das Geschehen illustrierten. Zwei Esel, einer grau, einer braun, mussten den ganzen Tag für einen mürrischen Müller schwere Lasten tragen. Für ihre treuen Dienste wurden sie aber nicht etwa mit kräftigendem Futter belohnt, sondern mit Schlägen traktiert. Die Haustiere der Mühle wurden deshalb von ihnen beneidet. Lautstark beklagten sie ihr schlimmes Los. «Gott hat es mit uns nicht gut gemeint», stellten sie fest.
Eines Tages kamen Hirten bei der Mühle vorbei. Sie erzählten einander von einem Stall, in welchem ein neuer König zur Welt gekommen sei. Dieser wolle vor allem Armen und Hilflosen zu einem besseren Leben verhelfen. Die Esel spitzten die Ohren. «Das ist bestimmt auch unser König!» freuten sie sich. Doch als sie am verheissenen Ort ankamen, fanden sie dort nur noch zerdrücktes Stroh vor. Die «Königsfamilie» hatte bereits flüchten müssen. Der Müller suchte die Ausreisser, schrie sie an und nahm sie wieder an die Kandare.
Der graue Esel schimpfte: «Die Hirten haben uns angelogen!» Der braune Esel aber wollte weiterhin an diesen König glauben, denn er fühlte seine Last bereits leichter werden. «Wo ist denn jetzt dein König?», spottete der Graue. «Weisst du, dieser König nimmt uns die Last nicht einfach ab, aber er gibt uns die Kraft, sie leichter zu tragen», gab ihm sein Leidensgenosse zur Antwort.
Zum Buchautor Max Bolliger
Max Bolliger(1929 – 2013) ist vielen bestimmt bekannt. Er hat unzählige Schriften und Büchlein zu alltäglichen, aber auch zu biblischen Themen verfasst. Erst arbeitete er als Primarlehrer, studierte danach zusätzlich Heilpädagogik und Psychologie. Für seine Schriften wurde er mehrfach ausgezeichnet, so beispielsweise 1973 mit dem Jugendbuchpreis des Schweizer Lehrerinnen- und Lehrerverbandes. 1994 verlieh ihm die Theologische Fakultät der Universität Zürich einen Ehrendoktor für sein umfangreiches Schaffen. 2008 zeichnete ihn der Kanton St. Gallen für sein Lebenswerk aus. Seine Schriften wurden in viele Sprachen übersetzt, so auch auf Italienisch. Dafür erhielt er 2011 den italienischen Kinderbuchpreis.
Gesellige Tee- oder Kaffeerunde
Vor dem besinnlichen Teil sangen alle gemeinsam das alte Adventslied «Es ist ein Ros’ entsprungen», von den beiden Musizierenden instrumental begleitet. Jede Strophe klang dabei etwas voller, was Marianne Pessina mit: «Noch die eine oder andere Strophe, dann könnten wir bereits auftreten!» kommentierte. Danach brachten die fleissigen Vorstandsfrauen Kaffee und Tee an die Tische. Dort lagen bereits Schokoladekugeln und Mandarinen und ein schön eingepackter Kuchenstern bereit. Die Geräuschkulisse stieg. Der Frauenverein hat eine wichtige gesellschaftliche Funktion, die auch heute noch unverzichtbar ist. Darum gehört allen mithelfenden Frauen vor und hinter den Kulissen ein ganz herzliches Dankeschön. Sie wenden viel Zeit auf, um ihren Mitgliedern immer wieder schöne Begegnungen zu ermöglichen.
Auf dem Heimweg war es später von Vorteil, sehr gut auf das Trottoir zu schauen, denn dieses war unterdessen noch rutschiger geworden.