Mit der Donnerstags-Gesellschaft im Rocktempel von Niederbüren
Musik ist DIE weltumspannende und ohne Worte verständliche Weltsprache. Doch noch mehr kann man sie geniessen, wenn sie von einem Moderator und Museumsgründer wie Roland „Tschiibii“ Grossenbacher vorgestellt wird! Das hat sich auch der Vorstand der Donnerstags-Gesellschaft Oberuzwil gedacht und kurzerhand zwei Führungen für seine Mitglieder angeboten. Verschiedene aus diesen Reihen waren schon einmal – oder auch gleich mehrere Male – dagewesen, aber das hinderte sie nicht, wieder in die Zeit der legendären Musikwelten zwischen anfangs 20. Jahrhundert bis zu dessen Ende einzutauchen.
Vergnügliches Zuhören
Wenn man Tschiibii Grossenbacher zuhört, ist man nie ganz sicher, wer jetzt noch grösseres Vergnügen an seinen Ausführungen habe, das Publikum oder am Ende er selber. So lebendig sprudelt die Quelle der Erinnerung an vergangene Zeiten, als Musik für die Jugend noch ein Ventil für Rebellion war. Wie erschreckt waren doch auch hierzulande die Eltern, als plötzlich Jeans und Halbschuhe mit Absätzen für Burschen Mode wurden. Mancherorts war dies bereits Anlass, mit dem Ausschluss aus der Schule zu drohen, sollten solche „Ungeheuerlichkeiten“ nochmals im Schulhaus zu sehen sein. Und dann die Frisuren! Lang, länger, dazu Bärte unzivilisiertester Art – ein Graus für die ältere Generation!
Einige Zahlen
Im Museum findet man ungefähr 200 AWARDS, alle echt, wie Tschiibii versicherte. Dazu hat er zusammen mit seiner Frau Uschy zwischen 6‘000 und 7‘000 Unterschriften von Musikgrössen zusammengetragen. Rund 500 Videos und 200 Audio-Aufnahmen illustrieren die umfangreiche Sammlung auch visuell und akustisch – ein einmaliges Vergnügen. Tschiibii ist ausserordentlich stolz, dass er alle 45 in Amerika erspielten Goldenen Schallplatten der BEATLES in seiner Sammlung hat, was in Europa einmalig sei, wie er betonte.
Verkappter Schauspieler
Wenn Tschiibii Grossenbacher erzählt, sieht man ihn in die jeweilige Zeit auch äusserlich abtauchen. Er geht dann wie die damaligen Jungen mit wippendem Kopf und wehendem Haar auf und ab und plaudert dabei ständig weiter, immer sein Tablet in der Hand. Und dort scheint sich die ganze Rock- und Pop-Musikwelt akustisch und visuell zu versammeln. Da erfährt man dann etwa, dass sich PAT BOONE und VICO TORRIANI – von beiden scheint der Herr über Rock und Pop nicht gerade viel zu halten… – in einer Bar auf der Hamburger Reeperbahn einmal mit je einem Glas Milch lächerlich gemacht hätten. Sein Gesicht sprach dazu Bände! Dazu er liess einen Song von Pat Boone gerade mal ungefähr zwei Sekunden hören – mehr habe der nicht verdient, habe Boone doch seine Darbietungen samt und sonders geklaut.
Schon das T-Shirt verrät, für welche Art Musik Tschiibiis Herz schlägt. Inmitten all seiner Schätze öffnet der ehemalige DJ sein ganzes inneres Musiklexikon. Einmalig!
Tschiibiis Lieblinge
Ein Museumsdirektor darf auf jeden Fall parteiisch sein, besonders dann, wenn er ja alle Ausstellungsobjekte – allerdings mit grosser Unterstützung seiner Frau Uschy und andern musikbegeisterten Mitmenschen – in langen Jahren selber zusammentragen hat. Sein Herz lassen Musiker schlagen, die mit virtuosem Instrumentalspiel und einer nicht nur mittels Technik tollen Stimme, vor allem aber mit viel Herzblut und oft auch ein wenig Schlitzohrigkeit auftreten. Und natürlich all die begabten Songschreiber, die nicht nur wiedergeben, sondern auch Kunstwerke „schaffen“. Dabei erzählte er von einem Konzert, welches „THE BOSS“ Bruce Springsteen mit seiner Band am 7. Juli 2013 in Leipzig gegeben hatte. Gegen Schluss durfte das riesige Publikum von diesem– wie an seinen Konzerten üblich – eine Zugabe wünschen. YOU NEVER CAN TELL von Chuck Berry, allerdings war der Song nicht im Band-Repertoire. Doch Springsteen schaffte es, die Band in die richtige Stimmung und Melodie zu peitschen – wie im folgenden Video zu sehen ist. Und Bruce Springsteen tritt noch immer auf! You Never Can Tell – Bruce Springsteen
Tschiibii bezeichnet Chuck Berry als „Vater des Rock’n’Roll“. Hier ist das Original mit Chuck Berry zu sehen und zu hören. Chuck Berry You Never Can Tell
Auch Bert Kämpfert hat es ihm augenscheinlich angetan. Dieser war ein begnadeter, sehr erfolgreicher Bandleader und Komponist. Der Welthit, den man FRANK SINATRA zuschreibt, stammt beispielsweise aus Kämpferts kreativem Kopf. Bert Kämpfert
Eine ganze Wand voller jung verstorbener Künstler
Das Musikerleben ist ja nicht unbedingt immer nur eitel Freude. Oft sitzt man einsam im Hotelzimmer oder betrinkt sich in irgendeiner Bar, flüchtet sich möglicherweise gar in Drogenexzesse. Jimi Hendrix, Kurt Cobain, Amy Winehouse gehören zum „Club der 27“, alle im Alter von ungefähr 27 Jahren verstorben. Im Rock- &Pop-Museum Niederbüren haben ihnen die Grossenbachers ein Denkmal gesetzt – ein trauriges Kapitel in der Musikgeschichte, aber auch schon in früheren Jahrhunderten gab es schon unzählige Komponisten und Virtuosen, welche trotz kurzer Lebenszeit ein reiches Werk hinterlassen haben. Liste von viel zu früh verstorbenen Musikgrössen
Englische Bands in Amerika
Englische Bands hatten kaum Berührungsängste mit schwarzen Musikern und liessen sich von diesen inspirieren. Die Pilzköpfe aus Liverpool – THE BEATLES – eröffneten in den Sechzigerjahren den Reigen, die ROLLING STONES folgten nach, auch THE WHO – anfänglich despektierlich RADAU COMBO genannt – und schliesslich die KINKS. Diese Bands mischten die bis jetzt noch relativ brave Jugend gründlich auf. Auch QUEEN mit Frontsänger Freddie Mercury oder THE SHADOWS mit dem unverwüstlichen Cliff Richard hatten später ihre grosse Zeit als Rockbands. Der eben erst herausgekommene Kinofilm BOHEMIAN RAPSODY zeigt die Tücken des Musikerlebens sehr anschaulich. Bohemian Rapsody – das Leben von Freddie Mercury
Veränderungen in der Musikwelt
Anhand des 1908 von W.C. Handy geschriebenen Welthits SAINT LOUIS BLUES veranschaulichte Tschiibii den Weg vom anfänglich als NEW ORLEANS JAZZ gespielten Stücks bis hin zum allgemein bekannten Marsch. In den Dreissigerjahren wurde er als Blues gespielt St.Louis Blues in den Vierzigerjahren als Marsch Glenn Miller mit St.Louis Blues und in den Fünfzigern von Chuck Berry als Rock’n’Roll. Für diesen Musikstil stieg die Gitarre zum wichtigsten Instrument auf und leitete den Gitarrenboom in den Musikschulen ein, der bis heute anhält.
Gesellschaftliche Umwälzungen
Nach dem Zweiten Weltkrieg war vor allem Europa auf Erhalt des Bestehenden bedacht, was der Jugend zu fad und bünzlig vorkam. Als Elvis Presley obszöner Hüftschwung die Erwachsenenwelt verstörte und zu Tumulten und Ohnmachtsanfällen bei – meist – weiblichen Fans führte, war die Veränderung der Welt durch diese freche Musik nicht mehr aufzuhalten. Kleidung, Frisuren, Sprache und Tanzstil veränderten sich rasant. Wenn man sich heute die BEATLES ansieht, mit ihren anfänglich doch braven Haarpracht, und man weiss, wie sehr dies die ältere Generation damals ärgerte, dann kann man verstehen, wie sehr die Rockmusik die bis anhin vordergründig doch recht biedere Welt umkrempelte. Rock’n’Roll hat bis heute ihren Platz behalten, wird weiterhin gerne gehört und oft auch als Soundtrack für Filme gebraucht, was die Serien KU’DAMM 56 und KU’DAMM 59 eindrücklich gezeigt haben. Ku’damm 56 Interview
- Früher versammelte sich die Familie noch vor dem Fernseher.
- Manche tanzten auch Rock’n’Roll mitten in der Stube – ob das den Möbeln wohl gutgetan hat?
- Bert Kämpfert war ein begnadeter Bandleader und Komponist...
- … und Cliff Richard begeisterte mit seinem jugendlichen Charme und seiner Stimme Millionen von Frauenherzen – hier mit den SHADOWS.
Fast zwei Stunden lang hatte Tschiibii aus seinem riesigen musikalischen Archiv Musikperlen und lustige Anekdoten für die Zuhörerschaft lebendig werden lassen. In der letzten Halbstunde standen zudem feine Häppchen und Gemüsedips auf dem Bistro-Tischchen, von Tchiibiis Frau Uschy liebevoll vorbereitet. Vermutlich könnte man Tage im Museum verbringen und hätte dennoch noch lange nicht alles gesehen, gehört, erfahren… Grund genug, wieder einmal zu einer Führung vorbeizukommen.
Vorausbericht von SRF 3 zur Eröffnung des Rock- & Pop-Museums Niederbüren