TUFFSTEIN – DAS „WEISSE GOLD“ VON BOURRÉ

TUFFSTEIN – DAS „WEISSE GOLD“ VON BOURRÉ

13. Oktober 2023 Aus Von Annelies Seelhofer-Brunner

Die ehemaligen Steinbrüche für Tuffstein im Tal der Loire werden nun als Pilzzuchtkeller genutzt

Die Tuffstein-Galerien

Am Unterlauf der Loire, vor allem in der Gegend um Tours, Saumur und Angers, wurde bereits in der Antike der poröse Kalktuff gebrochen, der das Erscheinungsbild ganzer Dörfer und Städte der Region prägt. Auch viele Loireschlösser – darunter Chambord und Chenonceau – wurden aus dem strahlend hellen Tuffeau errichtet.

Die Zahl ist beeindruckend: 580 Kilometer Galerien wurden im Innern der Steinhänge von Bourré, einem Dörfchen bei Montrichard im Süden des Departements Loir-et-Cher, gemessen. Aber sie steht im Verhältnis zu dem, was der Besucher der ehemaligen Kalktuff-Steinbrüchen von aussen sehen kann.

Der „Lichtstein“, auch „Stein der Könige“ genannt, beherrscht das ganze Loire-Tal. Schlösser, ob gross oder klein, Kirchen, Klöster, Abteien, Häuser, Stadtmauern, Brücken, Denkmäler –  über mehrere Jahrhunderte wurde jedes Gebäude, das errichtet wurde, aus diesem Stein erbaut, der von Steinhauern in mühseliger Arbeit aus den Steinbrüchen gewonnen wurde.

Die „Cave des Roches“

Die Cave des Roches ist dafür das hervorragendste Beispiel: eine wahre unterirdische Stadt bewahrt die Fassaden vor der Erosion, der sie an der Oberfläche ausgesetzt wären. Die frühesten Spuren der Steingewinnung stammen aus dem 11. Jahrhundert; die 120 Kilometer langen Galerien wurden später hauptsächlich von der Familie Delalande betrieben, bis die Preiserhöhungen im Jahr 1920 dazu führten, dass die Steinbrucharbeiten eingestellt wurden.

Der „Stein von Bourré“, der berühmteste und edelste Kalktuff, stammt aus Meeressedimenten, Organismen, die sich auf dem Meeresboden abgesetzt haben, und Felsenbruchstücken, die in Form von alluvialen Ablagerungen von Wasserläufen angeschwemmt wurden und sich im Lauf der Jahrhunderte erhärteten und erhellten. In diesen unterirdischen Galerien blicken 90 Millionen Jahre auf Sie herab.

Nachdem die Steingewinnung abgebrochen werden musste, erkannte man, dass die konstante Temperatur in den Galerien – zwischen 10 und 12 °C – und die Luftfeuchtigkeit von etwa 80%  geradezu ideale Bedingungen für die Pilzzucht waren.

Zucht-Champignons, Violette Rötelritterlinge, Seitlinge und sogar japanische Shiitake (auch Pasaniapilze) genannt, wachsen nun in der Nachbarschaft einer erstaunlichen unterirdischen Stadt, die von Christian Lhermite aus dem Kalktuff  geschaffen wurde.

Christian Lhermite hatte die Idee, die Gebäude an der Oberfläche unterirdisch in Stein nachzubilden, was er von 1998 bis 2001 tat, um eine Erinnerung an ihre Architektur zu bewahren: Kalktuff ist ein brüchiger Stein, der mit der Zeit von Wettereinflüssen und Luftverunreinigung „zerfressen“ wird.

Troglodyten

Aber auch Wohnungen wurden in die ausgehöhlten Felsen gebaut. Ursprünglich waren diese in erster Linie Wohnraum für arme Leute – inzwischen sind sie begehrte Feriendomizile, für die man mitunter gar etwas tiefer in die Tasche greifen muss.

Die meisten der Troglodyten, wie die Wohnhöhlen an der Loire genannt werden, wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts aufgegeben. Nur hier und da sieht man noch einen Schornstein zwischen Sträuchern und Büschen aus der Erde herausragen, bisweilen auch mal eine Satellitenschüssel. Insgesamt schätzt man das unterirdische Tunnelsystem im Loiretal auf eine Gesamtlänge von 1’000 Kilometern. Dabei sind sowohl die Troglodyten berücksichtigt, die vom ebenerdigen Boden in die Tiefe gegraben wurden, als auch die aus den Hügeln herausgehauenen Hohlräume, Grotten und Stollen.