Auf den Spuren von Doktor Paracelsus
Es war im vierten Jahr meiner siebenjährigen Verdingbubenzeit, bei einem Bergbauern auf einem vielseitigen Betrieb mit allen erdenklichen Tierarten, denn nebst den Stalltieren wurden auch Füchse und Wildenten gehalten.
Der Meister hatte vor vier Jahren als Neunzehnjähriger eine fast dreissigjährige Österreicherin geheiratet, und es waren zu diesem Zeitpunkt schon vier muntere Buben vorhanden. Der Meister war ein vielseitiger Mann, der mit Pferd und Wagen auswärts Fuhren ausführte. Danebst war er Störmetzger vor allem ein passionierter Jäger, das heisst, dass er, obwohl daheim viel Arbeit anfiel, meist abwesend war! Aber zum Arbeiten hatte er ja mich, den Verdingbuben, und – was noch viel wichtiger war – seine Mutter, eine sechzigjährige, magere, aber sehr zähe Frau mit einer unglaublichen Arbeitskraft.
Wir zwei machten also den grössten Teil der Arbeit zuhause. Ihr Mann hatte in hundert Meter Entfernung noch ein kleines Heimetli für zwei Kühe. Daneben hielt er einige Hühner und Schweine.
Das Verhältnis unseres Bauern mit seinem Vater war nicht sehr gut, und man munkelte, mein Meister haben für die umfangreiche Liegenschaft nie einen Rappen bezahlt. Ja, er behauptete stets, er habe schliesslich genug dafür gekrampft, was allerdings bei seiner Jugend auf keinen Fall stimmen konnte.
Der Senior war immer sehr nett zu mir, und ich durfte für ihn posten, wenn ich nach Schulschluss jeweils Bürden Brot in der nahen Bäckerei holen musste. Der Alte gab mir aber nie einen Fünfer dafür, sondern nur undefinierbare Speiseresten, die zum Erbrechen reizten.
Nun, er hatte für einmal eine sehr wichtige Arbeit, die so anfing: Er holte aus dem Wandkasten eine raue Schnur, legte sich selbst auf das Kanapee, zog die Socken und wies mich zu meinem Erstaunen an, ihm mit der Schnur die Grieben zwischen den Zehen herauszureiben. Der Mann hatte in hohem Masse Fussfäule und es stank fürchterlich. Obwohl ich sehr sachte rieb, bluteten bald alle Zehen, und ich sagte, da müsse man doch eine gute Salbe anwenden.
Es war noch ein Salbenrestchen in einer kleinen Dose, aber die nützte nicht viel. Die Entzündung verschlimmerte sich stark und ich empfahl dem Mann, er solle sich eine frische Creme kaufen.
Zu dieser Zeit war der Meister wegen der Frühlingsarbeiten meist zuhause, und er fragte mich deshalb lange aus, was ich beim „Alten“ immer zu tun hätte, wenn er, der Meister, nicht daheim wäre.
Ich gab bereitwillig Auskunft. Dieser habe mich eben als Flusspfleger angestellt. Der Meister sprach nun sehr deutlich aus, was er mit mir machen werde, wenn ich den Alten nochmals besuchen würde, wenn er abwesend sei! In den nächsten Tagen verreiste er zu seinem Jagdrevier in Vorarlberg.
Eines Tages wurde der alte Mann ernstlich krank, sodass ich mit dem weiblichen Knecht dorthin musste, wo es verboten war. Die zwei Kühe waren ziemlich verwahrlost und die Schweinebruggen verstopft und defekt, sodass mich die Frau alleine liess, um alles zu ordnen, weil sie ja für den Betrieb des Sohnes verantwortlich war. Als ich in der Stube zu einem Beckeli Milch kam, sah ich hinter dem Tisch ein zerfleddertes Buch liegen. Der Gwunder stach mich, darin zu schnüffeln.
Der Name PARACELSUS fiel mir sogleich ins Auge, und als ich etwas umblätterte, sah ich ein Rezept gegen Fussfäule. Nun ging ich zu dem Mann in der Kammer, um über meine Entdeckung zu reden. Ja, er habe in besagtem Buch das Rezept gefunden und sofort ausprobiert. Ich könne das Sälbeli gleich bei ihm anwenden, im „Chöstli“ – Teil des Ofens – sei das Büchslein. Leider war das Produkt jedoch eine steinharte Kruste und nicht zu gebrauchen.
Nun sah ich im PARACELSUS nach, wo das genannte Mittel genau beschrieben war. Der Grundstoff für eine solche Salbe besteht aus Tannenharz. Dieses muss eine helle Farbe haben. Weiter braucht es kaltgepressten Fischtran und als dritte Zutat Geissbutter. Dabei wurde betont, dass die Mischung genau eingehalten werden müsse. Aber noch viel wichtiger sei: Nur eine Komponente dürfe bis zum Kochen erhitzt werden, die andern Bestandteile dürften erst dann – leicht vorgewärmt – darunter gemischt werden, wenn die erhitzte Masse auf ungefähr 50 ° C heruntergekühlt wäre.
Mein erster Versuch gelang, obwohl ich keine Waage zur Verfügung hatte. Nachdem ich den Patienten darauf aufmerksam gemacht hatte, dass er seine Füsse auch hie und da waschen sollte, hatte er mit der Salbe die Fussfäule bald besiegt.
Mit diesem Rezept habe ich später bei verschiedenen Haustieren auch fortgeschrittene Infektionen geheilt, wenn ich zum Beispiel Kälber mit Nabelentzündungen kaufte. Auch bei Kälbern, die vorher mit infizierten Spritzen behandelt worden waren, hatte ich guten Erfolg.
Im „Gääserblättli“ im April 1999 veröffentlicht