Würdige Verabschiedung einer ehrwürdigen Institution

Würdige Verabschiedung einer ehrwürdigen Institution

24. Februar 2024 Aus Von Annelies Seelhofer-Brunner

Zum Bild: Zuletzt verteilte Kirchenpräsidentin Valentin Arnold Blumen für den initiativen Vorstand und die Helferinnen im Hintergrund. Von links: Prisca Haag, Katharina Honegger – stets zur Stelle, wenn man sie braucht, aber nicht im Vorstand. Aktueller und letzter Vereinsvorstand: Doris Decurtins. Jolanda Würth, Käthi Immoos, Vreni Frei, Marianne Pessina und Jung-Sook Petrik.

Am 15. Februar 2024 war es so weit. Der evangelische Frauenverein Uzwil beschloss an seiner 92. Hauptversammlung seine eigene Auflösung. Das Thema war dank einem ausführlichen Brief des Vereinsvorstands schon bekannt. Auch hatte Marianne Pessina aus dem Vorstand schon vor einem Jahr dieses Szenario skizziert. Sollten nach dem Rücktritt von zwei Vorstandsfrauen keine neuen Mitwirkenden gefunden werden, sei dieser Schritt leider unausweichlich.

Unzählige Aufrufe

Nicht dass die Frauen nicht alles versucht hätten! An der Kirchgemeindeversammlung wurde für neue Mitglieder geworben. Im Kirchenboten gab es mehr als einen Aufruf. Unzählige Frauen wurden auch auf persönlicher Ebene angefragt. Auch im Uzwiler Gemeindeblatt wurde ein Hilferuf abgedruckt. Leider verhallten alle Anfragen – ausser dem Dankesbrief einer Frau – ohne auch nur ein einziges Echo. Schliesslich sah der Vorstand der Tatsache ins Auge, dass so kein Verein mehr zu führen sei.

Auch wenn an diesem Abend die letzte HV unter dem Dach des Frauenvereins Uzwil über die Bühne ging, wollten die Verantwortlichen doch ein wenig Tradition beibehalten. So wurde wie immer vor dem geschäftlichen Teil ein Imbiss angeboten. An der Fasstrasse standen dienstfertige Helferinnen und Helfer bereit. Sie füllten ganz nach den Wünschen der «Kundschaft» die hingestreckten Teller mit feinen Salaten und/oder heissen Käse- oder Gemüseflädlein. Wasser stand zudem auf den Tischen.

Pianoxa-Chor mit «Aufmunterungspillen»

So ganz sang- und klanglos sollte der Verein allerdings nicht untergehen. Die Vorstandsfrauen und die stillen Helferinnen und Helfer im Hintergrund taten alles, um den 60 teilnehmenden Vereinsfrauen und den zahlreichen Gästen eine möglichst wohltuende Atmosphäre in gewohntem Rahme zu bieten. Der Vorstand hatte beim seit ein paar Jahren bestehenden Chor «pianoxa» – aus «Piano» und «Oxana» zusammengefügt – um einen Auftritt gebeten. Gründerin und Leiterin Oxana Peter-Fedjura hat mit einer ausgeklügelten Stimmbildungsarbeit und einem anspruchsvollen Repertoire einen Chor mit Ausstrahlung geformt. Mit beschwingten Melodien rund ums Flirten und Schäkern erfreuten sie die Anwesenden. Glücklicherweise las Marianne Pessina vor der bekannten Annen-Polka den Text vor. So konnte man sich ganz der Musik hingeben.

Bernhard Jakober bekannte darauf: «Gern hab» ich die Frauen geküsst», sehr innig gesungen. Leider ist die Akustik im Saal des Kirchgemeindehauses für Chöre nicht gerade einfach. Irgendwo versickert der Ton, was bei den Liedvorträgen leider die offensichtliche Leidenschaft für diese Art Musik auch hier etwas gedämpft hörbar machte. Das Duett «Barcarole» aus «Hoffmanns Erzählungen» von Jacques Offenbach – laut Wikipedia eine der beliebtesten Melodien der Welt – klang bestimmt bei den meisten aus der Zuhörerschaft bereits nach den ersten paar Takten innerlich an. Wie oft hat man dieses Liebeslied voller trunkener Seligkeit schon gehört! Der Chor spielte mit den Gefühlen um Liebe, Verführung und das Verführtwerden zu Mozarts Duett aus dem ersten Akt von «Don Giovanni «Là ci darem la mano», bei uns auch als «Reich mir die Hand, mein Leben» bekannt. Don Giovanni hofft auf ein Ja von Zerlina, die aber gerade ihre Hochzeit mit Masetto feiert. Sie befürchtet schlimme Folgen, wenn sie nachgibt, aber «Nein» geht ihr auch nicht über die Lippen. Schliesslich gelingt es dem Wüstling, die junge Frau zu verführen. „Là ci darem la mano“

Die Zuhörerschaft kam auch in den Genuss eines pianistischen Feuerwerks. Aus «La Gioconda» von Amilcare Ponchielli (1834-1886) spielte Oxana Peter auf dem Flügel den berühmten «Tanz der Stunden», auch als Galopp bekannt. Atemlos lauschten alle den schnellen Läufen, die die Pianistin scheinbar so mühelos meisterte. Allerdings steckt hinter solchen Darbietungen immer auch eine sorgfältige musikalische Ausbildung und nebst Talent auch viel Geduld und Ausdauer beim Üben. Die Frauen verdankten diesen Ohrenschmaus mit einem brandenden Applaus. La Gioconda – Galopp

Schliesslich schenkte Bernhard Jakober noch allen Damen im Saal «Dunkelrote Rosen» aus der von Carl Millöcker (1842–1899) komponierten Opererette «Gasparone». Wie heisst es da doch so schön? «Denn was man nicht zu sagen wagt, man durch die Blume sagt!»

Mit «La donna è mobile!» aus «Rigoletto» von Giuseppe Verdi (1813–1901) erfuhr die Zuhörerschaft, dass Frauen launisch und wetterwendisch seien, einem Lied, das seit seiner Entstehung 1851 seinen Siegeszug durch die Welt angetreten hat. Wer die Melodie einmal gehört hat, bringt sie kaum mehr aus dem Kopf. Kann gut sein, dass das dem Pianoxa-Chor auch so geht. Sie mussten bestimmt zünftig üben, bis sie all die schnellen Wortphrasen im Griff hatten. Auch Johann Strauss Sohn (1825-1899) – bekannt als «Walzerkönig» – kam mit zwei Liedern zu Ehren. Aus der «Fledermaus» durfte Mein Herr Marquis genossen werden – auch dies ein Schäkerlied – und als zweites «Ha, welch ein Fest!» Nach all diesen musikalischen Perlen folgte noch der «Galopp infernal» aus «Orpheus in der Unterwelt» als Zugabe. Bei diesem rasanten Lied bekamen die Sprechwerkzeuge der Chormitglieder ordentlich zu tun. Die Vereinsmitglieder spendeten grossen Applaus für diesen beschwingten Liederreigen voller Andeutungen und Liebesschwüre.

Traktandenliste

Der geschäftliche Teil begann wie immer: Begrüssung der Gäste aus Kirche und Sekretariat, Wahl von zwei Stimmenzählerinnen – diesmal Rosmarie Tanner und Tatjana Harder -und danach die üblichen Programmpunkte «Protokoll» und «Jahresbericht». Das Protokoll hatte Vreni Frei geschrieben. Bei Interesse hatte man im Sekretariat in dieses Einsicht nehmen können.

Jahresbericht

Für den vielfältigen Jahresbericht hatte Käthi Immoos aussagekräftige Fotos zu einer Power-Point-Präsentation zusammengestellt. Marianne Pessina stellte anhand dieser Bilder die einzelnen Anlässe des letzten Vereinsjahr mit humorvollen Worten vor. Wieder hatte der Vorstand – immer unterstützt durch stille Helferinnen und oft auch Helfer im Hintergrund – ein vielfältiges Programm angeboten. Für jeden Anlass war jeweils eine Vorstandsfrau Patin.

Marianne Pessina führte engagiert und zielführend durch die doch von Wehmut geprägte letzte HV.

Das Programm stand unter dem Motto «Um einen Schmetterling lieben zu können, müssen wir auch ein paar Raupen mögen». Der Ausspruch stammt vom unvergesslichen Schriftsteller und Militärflieger Antoine de St.Exupéry, Autor auch des weltberühmten Büchleins «Der kleine Prinz».

Hier die Liste all der Anlässe im Jahr 2023, immer begleitet von geselligem Zusammensein bei einem Imbiss

  • Freitag, 3. März – Weltgebetstag: Liturgie von Frauen aus Taiwan
  • Dienstag, 14. März – FRAUEzMORGE
  • Donnerstag, 13.April – Lottomatch am Nachmittag, auch Männer waren dazu willkommen
  • Donnerstag, 11.Mai – «Greti Caprez-Roffler, die illegale Pfarrerin», geschildert von ihrer Enkelin Christina Caprez
  • Mittwoch, 31. Mai – Dankesnachmittag für alle, die in irgendeiner Form für den Verein tätig waren. Eine junge Nonne führte die Eingeladenen mit interessanten Informationen durch das Kloster Magdenau. Anschliessend gab es einen Zvieri im «Klosterhof Rössli» in Magdenau
  • Donnerstag, 22. Juni – FRAUETRÄFF: Besuch des Brauchtumsmuseums Urnäsch
  • Dienstag, 15. August– FRAUETRÄFF: Besuch der EMPA St.Gallen
  • Dienstag, 12. September– Besuch im Kutschenmuseum Amriswil
  • Donnerstag, 19. Oktober – der allseits hochwillkommene «Spaghetti-Plausch» Spaghettiplausch ade?
  • Der beliebte Filmnachmittag im November musste leider ausfallen, weil an diesem Nachmittag die Beerdigung des ehemaligen Schulpräsidenten Werner Dintheer stattfand.
  • Dienstag, 5. Dezember – FRAUE-ADVENT mit wunderbaren Krippenfiguren als Kulisse Was der Mensch von Eseln lernen kann

Ehrung der Verstorbenen

Mit einem Zitat aus «Der kleine Prinz» von Antoine de St. Exupéry begann Jolanda Würth diese Ehrung. «Hast du Angst vor dem Tod», fragte der kleine Prinz die Rose. Darauf antwortete sie: „Aber nein. Ich habe doch gelebt, ich habe geblüht und meine Kräfte eingesetzt, so viel ich konnte. Und Liebe, tausendfach verschenkt, kehrt wieder zurück zu dem, der sie gegeben. So will ich warten auf das neue Leben und ohne Angst und Verzagen verblühen.» Wie schön diese Lebenssattheit hier doch ausgedrückt wird. Danach las sie mit angenehmer Stimme alle Namen der im vergangenen Vereinsjahr verstorbenen Vereinsmitglieder vor. Wieder war die Liste recht lang. Mit einer Schweigeminute wurde darauf all dieser Frauen gedacht.

Finanzen

Doris Decurtins hatte auch diesmal die Kasse in allerbester Ordnung den Revisorinnen vorlegen können. Tatjana Harder als eine der Revisorinnen – die zweite Revisorin, Ursula Geel, war nicht anwesend – stellte fest, dass die Kasse in bester Ordnung sei. Erst bat sie um Entlastung – was im Vereinsdeutsch «Décharche» heisst – der Kassierin Doris Decurtins, was einstimmig bewilligt wurde, danach gab es einen tosenden Applaus für den ganzen Vorstand und das helfende Umfeld. Wer schon in einem solchen Gremium mitgearbeitet hat, weiss, wie viel Herzblut und Freizeit da eingesetzt wird.

Abwicklung gar nicht so einfach

Der nächste Programmpunkt gab mehr zu reden, weil es ja das erste Mal war, dass der Verein aufgelöst werden sollte. Marianne Pessina hat seit 15 Jahren im Vorstand viele Impulse eingebracht, seit mehreren Jahren auch den Verein nach aussen vertreten. Sie hatte schon letztes Jahr angekündigt, auf die nächste HV zurückzutreten. Jolanda Würth ist aus Sonnental weggezogen und wohnt jetzt im Thurgau. Aus diesem Grund gab auch sie ihren Rücktritt. Die übrigen Vorstandsfrauen sahen sich ausserstande, den Verein so weiterzuführen.

Marianne Pessina zählte noch einmal all die Versuche auf, neue Frauen für die Mitarbeit im Vorstand zu bewegen. Doch jetzt gehe es an die statutengemässe Abwicklung der Vereinsauflösung. Nun waren die beiden Stimmenzählerinnen sehr gefragte Leute. Der Vorstand hatte einen Plan ausgearbeitet, wie das doch recht ansehnliche Vermögen verteilt werden soll. So ist vorgesehen, 5000.00 Franken für die Dauer eines Jahres auf ein Sperrkonto fliessen zu lassen, falls sich etwas Neues auftun sollte. Der Rest soll den Institutionen Buecherwäldli Uzwil, dem Chinderhus Rägeboge Uzwil, der Markthalle Uzwil und zu einem Viertel der Orgelrevision in der Niederuzwiler Kirche zukommen. Sollte sich innert eines Jahres keine neue Form eines Vereins gegründet haben, wird das Sperrkonto aufgelöst und der Betrag zur Hälfte an den Verein Bambolo und die Ludothek Oberuzwil ausbezahlt.

Antrag auf veränderte Zuwendungsverteilung

Ein Antrag auf erhöhten Beitrag für die Orgelrevision wurde von den Mitgliedern abgelehnt. Die Abstimmung ergab schliesslich ein klares JA zur Auflösung des Vereins und zur Vermögensaufteilung. Ellen Schout Grünenfelder als Gast aus Oberuzwil sprach ihrerseits dem Vorstand ihren herzlichsten Dank aus und meinte: «So schade, dass es euch nicht mehr gibt!» Damit sprach sie bestimmt vielen Frauen aus dem Herzen.

Alle Akten werden nun im Gemeindehaus archiviert. Schliesslich will man auch später noch etwas über diesen 92 Jahre lang äusserst aktiven Verein erfahren können.

Es gibt neue Hoffnung

Doch zum Schluss gab es doch noch einen Lichtblick. Zwei junge Frauen stellten sich vor. Carmen Widmer und Sarah Engrosso skizzierten ihre Ideen zu einem neuen Verein. Zusammen mit Jasmin und Sabrina Stadler hätten sie schon Pläne. Eine Art «Jahreszeitenprogramm» schwebt den Frauen vor. Man darf gespannt sein, was sich da entwickelt. Es war jedenfalls sehr tröstlich, zu hören, dass es erneut Angebote für geselliges Zusammensein geben könnte.

Hoffnung für etwas Neues: Zwei initiative Frauen – rechts Carmen Widmer, links Sarah Engrosso – haben sich zusammen mit den nicht anwesenden Frauen Jasmin und Sabrina Stadler bereits Überlegungen zu einem neuen Verein gemacht.

Käthi Immoos, langjähriges Vorstandsmitglied, ist in die Kellerräume des Archivs hinuntergestiegen und hat dabei interessante Zeitdokumente entdeckt. Käthi Immoos: Rückblick auf 92 Jahre Frauenverein Uzwil

Und hier noch ein Rückblick auf die HV des letzten Jahres: Unterhaltsame 91. HV des Frauenvereins Uzwil