Frau Gessler packt aus!
Tagesausflug des Uzwiler Frauenvereins nach Altdorf
Wenn in den Boulevard-Nachrichten jemand „auspackt“, dann wird meistens schmutzige Wäsche gewaschen. Doch wenn Frau Gessler auspackt, dann wird es unterhaltsam, lehrreich und humorvoll. Der Vorstand des Frauenvereins Uzwil hatte mit diesem Angebot den Nagel auf den Kopf getroffen, denn der 50-plätzige Bus war bis auf den letzten Platz besetzt. Es hätten sich noch mehr Frauen dafür interessiert, aber schon dieser Bus war gerade eben lang genug, um noch über den Klausenpass fahren zu können.
Jolanda Würth hatte die Reise mustergültig vorbereitet. Im Vorfeld hatte sie dafür sagenhafte 90 Telefonate geführt, um den Mitgliedern diesen Tag in Erinnerung zu rufen oder nochmals nachzufragen, damit sie bei eventuellen Verschiebungen Frauen aus der Warteliste berücksichtigen konnte. Am Schluss des Tages bekam sie dafür denn auch einen langanhaltenden Applaus.
Bäckereimuseum Benken
Ein Znünihalt gehört zu jedem Frauenvereins-Ausflug. Diese hatten vermutlich selber noch nie so viele Model für Änisguetzli oder auch Osterhasenformen gesehen wie in diesem Restaurant, welches auch ein Museum enthält. Wer hat denn schon hundert verschiedene Teigrädchen zuhause? Die zahlreichen Knetmaschinen, die vermutlich kaum je kaputtgingen, noch keine Elektronik kannten und teilweise richtig verbeult dastanden, liessen über alte Zeiten fachsimpeln. Heutige Lebensmittelinspektoren würden allerdings bei gewissen Geräten vermutlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn sie diese taxieren müssten.
Inmitten all dieser Gerätschaften gab es einen Znünikaffee und ein Gipfeli – und viele, viele Gespräche. Die Frauen interessierten sich sehr für all diese teilweise abenteuerlichen Maschinen und Backformen. Besonders verblüffend waren auch die im Raum stehenden, wunderbar herausgepützelten Oldtimer. Bei einem stand „vorgeführt und fahrtauglich“, allein, es schien etwas schwierig, dieses Prachtstück auch wieder aus dem Haus heraus zu bekommen. Vielleicht mitten durchs Restaurant?
Klausenpass
Nicht jedermann kann heutzutage mit einem grossen Car einfach so über den Klausenpass fahren. Die Strasse ist teilweise eng und nicht überall in bestem Zustand. Darum darf – und auch dies nur mit schriftlicher Sonderbewilligung – nur jeweils am Dienstag und am Donnerstag von Linthal GL Richtung Unterschächen UR gefahren werden. Montags, mittwochs und freitags gilt das für die Gegenrichtung. Das Postauto hat immer Vorrang. Beat Gross vom Reiseunternehmen GROSS aus Rorschach meisterte alle heiklen Kreuzmanöver und alle engen Kurven wunderbar und bekam dafür gleich mehr als einmal dankbaren Applaus der Mitreisenden. Er gab auch unterwegs immer wieder interessante Hinweise auf besondere Landschaften oder Industriekomplexe.
Am Morgen war der Himmel noch verhangen, in Uzwil war es sogar noch neblig. Doch je höher hinauf man kam, desto mehr lichtete sich der Nebel, bis auf dem Klausenpass die Sonne die Welt in wunderbarstem Glanz erstrahlen liess. Auch der Blick aufs Nebelmeer gefiel, etwas weniger vielleicht die Vorstellung, nun wieder in diese „Milchsuppe“ abtauchen zu müssen.
Wer sich ins Klausenpass-Verkehrsregime vertiefen möchte, findet im folgenden Link alle wichtigen Angaben. Verkehrsregime Klausenpass
Mittagshalt im Hotel Post in Urigen
In einem schönen Restaurant in Urigen UR kam nun auch der Chauffeur zu einer wohlverdienten Pause. Er setzte sich allerdings nicht an einen Einzeltisch, um ein wenig Ruhe zu haben, sondern fand inmitten einer grösseren Frauengruppe beste Aufnahme. Schliesslich hatte er schon im Car seinen jugendlichen Charme versprüht und so den Frauen jeden Alters ein gutes Gefühl vermittelt. Dank farbigen Post-it-Zettelchen, neben das Gedeck-Set gelegt, sahen die liebenswürdigen Servicefrauen auf einen Blick, wohin sie die unterschiedlichen Fitnessteller hinstellen sollten. Die feinen Salate und das grillierte Fleisch mundeten vorzüglich. Und auch hier galt: Wenn es zu essen gibt, dann sinkt der Lärmpegel.
- Im stilecht bemalten Hotel Posthaus in Uringen war der angebotene Fitnessteller ein Genuss.
- Wichtig ist auch der persönliche Austausch zwischen den Mitgliedern.
- Chauffeur Beat Gross inmitten der Frauen – man beachte die Beschriftung seines Hemdenkragens, war doch die Firma Hegglin früher ebenfalls oft für Frauenvereinsausflüge unterwegs.
Führung durch Altdorf
Nach dem Essen wartete Frau Gessler auf die Frauen. Schon ihr stolzes, bodenlanges Kleid verhiess eine ganz spezielle Geschichtslektion. Auf dem Rundgang durch das schmucke Dorf Altdorf fielen immer wieder besonders schöne Wirtshausschilder auf. Nicht umsonst hat Altdorf 2007 den Wakkerpreis von Fr. 20‘000.00für das gepflegte Ortsbild bekommen.
Wer wohl im „Fremdenspital“ gepflegt wird? Wunderschöne Hausschilder: „Zum Goldenen Schlüssel“ und Schild der „Crédit Suisse“.
In schönstem Altbayerisch – mittels Youtube-Filmchen erlernt – erzählte die vermeintliche Frau Gessler, dass doch SIE die wahre Heldin der Geschichte sei. Eigentlich hätten ihr Mann und sie ja an den Kaiserhof in Speyer gehen wollen. Aber erst sei ihnen diese Vogtstelle in Altdorf zugewiesen worden. Heute sei sie jedoch eine glückliche Witwe, habe ihr Hermann doch schon länger das Zeitliche gesegnet. Und sie verriet, dass ihr Mann halt auch ziemlich blöd gewesen sei, bei Tell noch nach dem zweiten Pfeil zu fragen. Das hätte er wohl seinlassen können. Zuhause so brav wie etwas, habe ihr Gemahl eben immer gerne den Starken rausgehängt und so viel Ärger verursacht und gehabt. Die Sache mit dem zu grüssenden Hut sei doch eine reine Schikane gewesen.
1. Auch die Franzosen waren mal im Urnerland – hier vor dem Grab zweier dieser Soldaten. 2. Die Frauen hörten interessiert zu. 3. Immer wieder zeigte die Frau „Erinnerungen“ fotografischer Art. 4. Grosses Gelächter beim Zeigen des Geschenkes von Wilhelm Tell – ein kleines Gamsgeweih – die Frau wusste sogar Tag und Stunde des Jägerglücks… 5. Auch der Abspann war sehr fantasievoll. 6. Jolanda Würth hatte den ganzen Tag mustergültig vorbereitet. Am Schluss überreichte sie Frau Gessler einen Uzwiler Mandelfisch.
Gespannt und amüsiert hörten die Uzwiler Frauen der wortmächtigen, Altbayerisch redenden Frau Gessler zu.
Und wie sie von Wilhelm Tell, dem rassigen Jäger, schwärmen konnte! In ihrer spannenden Tasche verbarg sich sogar ein Geschenk von diesem Helden, nämlich ein kleines Gamsgeweih. Stolz zeigte sie dieses her, streichelte es und hatte so ein Leuchten im Gesicht – man nahm ihr einfach alles ab. Aber auch Musik enthielt die Tasche, so eine Melodie zum Aufstehen, aber auch ganz spezielle Ziegerkrapfen. Immer wieder wies sie auf etwas Besonderes hin.
Am meisten Zeit widmete sie aber dem Tell-Denkmal, damit auch die Frauengruppe die strammen Waden des Lokalhelden bewundern konnte. Und sie deutete auf den Brunnen auf dem Platz hin, auf welchem bis heute eine passende Figur fehle. Noch immer würden nämlich die Oberen im Rathaus beraten, ob jetzt Niklaus von der Flüe oder eben sie, Frau Angelina Gessler, dort ein Denkmal bekommen sollte. Heute müsse man halt über alles abstimmen, das habe ihr Hermann noch nicht tun müssen.
„Herr Schiller“ hätte vermutlich seine wahre Freude gehabt, seine Tellsage so detailliert – allerdings von der Vorlage oft ziemlich abweichend – auf Bayerisch erzählt zu hören. Vielleicht hätte er als Thüringer die Frau aber auch einfach überhaupt nicht verstanden. Auch die Uzwiler Frauen amüsierten sich köstlich bei diesem Wandertheater. Selbst der Schluss der Führung war speziell, mit einem gedruckten Abspann, alle wichtigen Persönlichkeiten aufgeführt genau wie im Kino. Es würde den Rahmen dieses Berichts sprengen, all ihre geschichtlichen „Weisheiten“ und deren Verknüpfungen mit der Tellgeschichte aufzuführen. Am besten geht man selber einmal hin und hört der Dame zu. Es lohnt sich! Wilhelm Tell – Schweizer Nationalheld
Nach dem Rundgang verwandelte sich die Frau in eine liebenswürdige Urnerin, ausgebildete Schauspielerin mit Freude an Flunkereien. Eine zweite Gruppe war ebenfalls mit einer Frau Gessler unterwegs gewesen, dem Vernehmen nach war dort eher Sächsisch die Sprache gewesen.
Hindernisreiche Rückkehr mit Halt in Brunnen
Wegen verschiedener Steinschläge ist die Axenstrasse – schnellste Verbindung zwischen Altdorf und Brunnen, der letzten Station des Tagesausflugs – noch längere Zeit gesperrt. Doch Chauffeur Beat meisterte auch diesen Umstand. Die Fahrt über Luzern rund um den Vierwaldstättersee verlief ohne grössere Stauungen. In Brunnen suchten die meisten ziemlich schnell ein Café in der Nähe des Sees auf und unterhielten sich über das Erlebte. Nach einer knappen Stunde begann der Heimweg, diesmal teilweise auf der Autobahn, dann über den Ricken und durch die Umfahrung Bütschwil, bis Beat Gross alle gesund und munter wieder beim Alten Coop oder dem Töbeli-Parkplatz verabschieden konnte.
Ob wohl die eine oder andere Frau nach dieser Reise noch von den körperlichen Vorzügen eines gewissen Wilhelm Tell geträumt hat? Frau Gessler hatte ja schliesslich fast aufdringlich immer wieder auf die tolle Figur und auch den wunderbaren Vollbart hingewiesen…
Wer sich gerne ins Bayerische vertiefen möchte, kann dies bei Monika Gruber, Martina Schwarzmann oder bei Gerhard Polt und den Biermösl Blosn problemlos tun. Einfach gut hinhören!
Monika Gruber Bayerisch für Anfänger